Die wunderbare Ausstellung „Bibliomania – Das Buch in der Kunst“ in Bietigheim-Bissingen huldigt dem Buch in Installationen, Gemälden, Fotografien – mal heiter, mal melancholisch. Sie ist noch bis 23. Oktober zu tun.

Ludwigsburg: Susanne Mathes (mat)

Die Bücher, die der Schweizer Künstler Peter Wüthrich auf Fotos und in Installationen in Szene setzt, haben ihr eigenes Leben und ihren eigenen Kopf. Sie räkeln sich am Pool, balancieren über Seile, segeln im Höhenflug über Berge, kuscheln im Grünen oder eilen im Gänsemarsch über die Straße.

 

Das wunderfitzige geheime Treiben der Bücher: In Bietigheim-Bissingen ist es derzeit in der Ausstellung „Bibliomania – Das Buch in der Kunst“ zu erleben, das Bücherfreunden das Herz aufgehen lässt. Sie lockte selbst den Berliner Tagesspiegel und Deutschlandradio Kultur in die Städtische Galerie und verleitete sie zu wärmsten Empfehlungen. Denn sie huldigt dem Kulturgut Buch in ideenreicher, gewitzter, nachdenklicher, mitunter melancholischer Weise.

Die Schau zeigt Bücher als Inspirationsquelle in der Malerei, Zeichnung, Fotografie oder der Objektkunst – bunt, unterhaltsam, informativ und teils ziemlich skurril, wie etwa bei der „Literaturwurst“ von Dieter Roth: zu Papierbrei gemahlen, mit Kräutern und Gewürzen verarbeitet, presste der Künstler 1969 einen Buchbrei in die Pelle. In Bietigheim hängt das so verwurstete Buch „Rendezvous mit dem Tod“ nun hinter Glas.

Hannes Möllers besonderes Projekt sollte unbedingt dabeisein

„Zum Thema Buch und Bibliothek suche und sammle ich seit Jahren“, erzählt Galerieleiterin Isabell Schenk-Weininger, die selbst bekennende Buchliebhaberin ist. Dass ihr das Kunstmuseum Villa Zanders in Bergisch Gladbach mit einer Ausstellung zu diesem Sujet zuvorkam, grämte sie nur kurz. Dann ging sie eine Kooperation ein – „ein Glücksfall für uns, denn in einem so späten Stadium lassen sich Kooperationen meistens nicht mehr umsetzen“, sagt Schenk-Weininger – , holte die Schau nach Bietigheim-Bissingen und erweiterte sie: Mit dem Künstler Hannes Möller steht sie zum Beispiel schon seit mehr als einem Jahrzehnt in Kontakt und holte ihn jetzt in die „Bibliomania“-Ausstellung dazu.

Möller beschäftigt sich mit dem wechselvollen Schicksal von Aufbau und Sammlung, Schenkung und Raub, Zerfall und Zerstörung von historischen Bibliotheken, etwa derjenigen des säkularisierten Zisterzienserklosters Eberbach. Hundert dieser Handschriften und Inkunabeln, die heute an unterschiedlichsten Orten sind, hat Möller in einer imaginären Bibliothek neu zusammengetragen: Er reiste zu den Büchern, fotografierte die Buchrücken und nahm die Fotos als Ausgangspunkt für hundert gemalte, einzelne Buchrücken.

So plastisch – und jedes mit seinen Eigenheiten, Brüchen, Rissen oder aufgeschnürten Kordeln charakteristisch porträtiert – stehen sie in der „Verlorenen Bibliothek“, die in Bietigheim ein ganzes Kabinett ausfüllt, vor dem Betrachter, dass man sie am liebsten aus dem imaginären Regal herausholen und behutsam darin blättern möchte.

Das Buch ist in seiner Schönheit zu sehen – und in seiner Verletzlichkeit

Das Buch in seiner Verletzlichkeit zeigt in einem Möller-Nachbarkabinett Annette Kelm: Sie hat hundert Bücher fotografiert, die wegen ihres Inhalts, Autors, Illustrators oder Verlags Opfer der nationalsozialistischen Bücherverbrennungen wurden – in den damaligen Originalausgaben. Die Auswahl, die in Bietigheim-Bissingen zu sehen ist, zeigt Titel wie „Stoffel fliegt übers Meer“ von Erika Mann oder „Lerne zu lachen, ohne zu weinen“ von Kurt Tucholsky.

Das Buch ist aber auch anmutig-heiter inszeniert, wie in dem Patchwork-Teppich aus Bänden der unnachahmlich schön gestalteten Insel-Bücher von Magnus von Stetten, erhaben, wie in den großformatigen Fotografien repräsentativer Bibliotheken von Candida Höfer oder farbstark-illusionistisch wie im Öl-Gemälde „Buchkanten“ von Cornelius Völker, dessen pastosen Pinselstrich Isabell Schenk-Weininger geradezu „saftig“ findet. Ob als Vogelsilhouette bearbeitetes Buch, das dann „Geflügelte Worte“ heißt.

Für die Installation „Mauerwerk“ von Hubertus Gojowcyk vermörtelte die Galerie sogar ihr Bullauge im ersten Stock mit ausrangierten Exemplaren aus der Otto-Rombach-Bücherei. Und das beglückende, optimistische Projekt „Future Library“ von Katie Paterson zeigt: Dem schon oft totgesagten Buch trauen viele noch vieles zu. Zu sehen ist die Ausstellung noch bis zum 23. Oktober.