Region Stuttgart - Der Bierdurst der Deutschen lässt nach. Schon seit Jahren ist der Bierabsatz hierzulande rückläufig, von 2019 auf 2020 sank der Pro-Kopf-Konsum pro Jahr nun erstmals seit Langem auf unter 100 Liter. Laut Denni Föll, dem Sprecher des baden-württembergischen Brauerbunds, liege dies vor allem am demografischen Wandel: „Die ältere, trinkfeste Generation stirbt aus.“
Zudem hatten zu Beginn der Coronapandemie die Menschen zwar noch relativ viel Bier in ihren eigenen vier Wänden getrunken, mit dem Ausfall von Volksfesten, Hocketsen und großen privaten Feiern sank der Konsum jedoch erheblich. Mit 95 Litern pro Kopf haben die Deutschen im Jahr 2020 so wenig Bier getrunken wie zuletzt im Jahr 1960. Im Jahr 2019 lag der Pro-Kopf-Konsum bei noch ziemlich genau 100 Liter. Zum Vergleich: 1980 tranken die Deutschen noch 145 Liter Bier im Jahr.
Deutschen liegen europaweit auf Platz Drei
Das Interessante daran: Dieser rückläufige Bierabsatz bedeutet für die vielen kleinen und größeren Brauereien in der Region Stuttgart nicht den Untergang. Zum einen sei der Bierkonsum in Deutschland weiter auf einem hohen Niveau, betont Danilo Paulus, Diplom-Biersommelier und Chef von 0711-Biersommelier. Mit 95 Litern pro Kopf im Jahr 2020 hätten im europäischen Vergleich nur die Österreicher und Tschechen noch mehr Bier getrunken. Und zum anderen trinken die Deutschen anders Bier als früher – und das ist vor allem für die kleinen Brauereien eine echte Chance.
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„Man trinkt heute bewusster Bier: Statt fünf Standardbiere an einem Abend genießt man zwei besondere Biere“, sagt Danilo Paulus. Die Nachfrage nach Craft Beer, also nach handwerklich gebrautem Bier wachse, „das spielt kleineren Brauereien in die Karten“. Als Grund für diesen veränderten Bierkonsum sieht der 26-Jährige unter anderem das wachsende Bewusstsein für Nachhaltigkeit: „Die Leute wollen keine langen Transportwege.“ Diese kurzen Wege hätten im Übrigen nicht nur einen positiven Effekt aufs Klima, sondern auch auf den Trinkgenuss selbst. Denn zwar hätte Bier ein Mindesthaltbarkeitsdatum, doch dies sage nichts über den Geschmack aus: „Je frischer man es trinkt, desto geschmackvoller ist es.“ Vor allem das Hopfenaroma in Craft Beer sei flüchtig und nach zwei Monaten Transport- oder Lagerzeit deutlich weniger intensiv.
Kurze Transportwege helfen auch dem Geschmack
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Der althergebrachte Spruch „Bier braucht Heimat“ stimme heute womöglich noch mehr als früher, sagt auch Denni Föll vom baden-württembergischen Brauerbund. Es sei nicht mehr cool, Bier von weit weg zu trinken. „Wenn man Bier aus der Region trinkt, stärkt dies das Zugehörigkeitsgefühl.“
Alkoholfrei trinken mehr nicht nur Schwangere und Autofahrer
Zudem stehe alkoholfreies Bier zunehmend im Kurs, sagt Denni Föll. Laut dem Deutschen Brauerbund hat sich seit 2007 die Produktion alkoholfreier Biersorten mehr als verdoppelt – auf gut 660 Millionen Liter im Jahr 2020. Momentan haben alkoholfreie Biere einen Marktanteil von sieben Prozent. Und es gibt bundesweit mehr als 700 verschiedene Marken für alkoholfreies Bier. Insgesamt sind mehr als 1500 Brauereien in Deutschland registriert, davon 210 in Baden-Württemberg. Die beliebteste Biersorte ist weiterhin das Pils. Immer mehr Bierliebhaber schwören aber auch auf das Helle, das an zweiter Stelle steht und den größten Zuwachs hat. Alkoholfreies Bier belegt den dritten Platz.
Die Klein- und Kleinstbrauereien aus der Region Stuttgart sind vergleichsweise auch gut durch die Coronakrise gekommen. Möglicherweise liegt das auch am Teamgedanken: „Wir sehen uns gegenseitig nicht als Konkurrenz, sondern versuchen, gemeinsame Sache zu machen“, sagt Danilo Paulus, der selbst bei der Kleinbrauerei Singh Bräu in Weilheim an der Teck (Kreis Esslingen) arbeitet. Während des Lockdowns haben die Kleinbrauer gemeinsame Bier-Lieferdienste in und rund um Stuttgart angeboten. Außerdem haben sie zusammen Online-Verkostungen veranstaltet und Biere verschiedener Brauereien aus der Region vorgestellt.
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