Das Sozialgericht Heilbronn muss sich vor allem mit Streitigkeiten wegen Sozialhilfe und Arbeitslosengeldes II befassen. Die Fälle sind oft nicht einfach.

Kreis Ludwigsburg - Es sind oft existenzielle Ängste, die diese Fälle begleiten: Beim Sozialgericht Heilbronn reichen Menschen Klage ein, denen der Strom abgestellt wurde, die aus ihrer Wohnung ausziehen sollen oder die eine Kürzung ihres ohnehin knappen Geldes nicht akzeptieren wollen. Mit solchen Themen muss sich das Sozialgericht – das unter anderem für den Kreis Ludwigsburg zuständig ist – laut einer aktuellen Bilanz am häufigsten beschäftigen. Das ist nicht immer einfach.

 

Denn das, was aus rechtlicher Sicht korrekt sei, stimme nicht immer mit den eigenen moralischen Vorstellungen überein, sagt Joachim von Berg, der Sprecher des Gerichts. So sei es oft strittig, ob Hartz-IV-Bezieher in der eigenen Wohnung bleiben dürften oder diese verkaufen müssten, damit ihr Vermögen die erlaubte Grenze nicht überschreitet – selbst wenn die Miete, die der Staat übernimmt, den Steuerzahler letztlich teurer kommt. Andererseits sei es aber auch schwer zu vermitteln, wenn jemand, der Hartz IV bezieht, in einer 240-Quadratmeter-Wohnung lebe.

Haben Übergewichtige Anspruch auf mehr Geld?

Auch gesundheitliche Fragen seien oft nicht leicht zu beantworten, erzählt Gabriele Wolpert-Kilian, die Präsidentin des Sozialgerichts. Oft komme zum Beispiel die Frage auf, ob Übergewichtige Anspruch auf mehr Geld haben, weil sie mehr Kosten für Lebensmittel hätten. Allerdings gebe es in solchen Fällen nur sehr selten Zuschläge, berichtet Wolpert-Kilian. Aber sie habe auch schon einen Fall gehabt, bei dem eine Frau mit Laktose-Unverträglichkeit für einen höheren Hartz-IV-Satz gestritten habe, mit dem Argument, die teuren Spezialprodukte zahlen zu müssen.

Ein häufiger Streitpunkt sei zudem die Definition einer Bedarfsgemeinschaft. Diese könne sich bei sogenannten Patchwork-Familien durchaus zu einer komplexen Fragestellung ausweiten, sagt Wolpert-Kilian. Zum Beispiel, wenn eine Frau mit Kindern Hartz IV beziehe, sich von ihrem Mann trenne – und dann der neue Freund in die Wohnung einziehe. Vor dem Sozialgericht sei dann zu klären, ob das Zusammenleben lediglich als Wohngemeinschaft gilt oder aber als Bedarfsgemeinschaft, bei der dann das Vermögen der Partner insgesamt als Berechnungsgrundlage für die Höhe der Leistungen gilt.

Komplexes Rentensystem oft Anlass für Verfahren

Auch mit Rentenangelegenheiten muss sich das Sozialgericht Heilbronn immer wieder beschäftigen. Oftmals sei das komplexe Rentensystem der Anlass für die Verfahren, sagt Wolpert-Kilian. So komme es häufig vor, dass Menschen, die eine Hinterbliebenenrente bezögen, irgendwann von Forderungen der Rentenkasse überrascht würden. Denn bei dieser Rente werden Einkünfte aus der eigenen Arbeit angerechnet. Oft meldeten die Leute ihr Einkommen aber nicht, weil sie davon ausgingen, die Rentenkasse wisse Bescheid, weil sie ja Beiträge einzahlten. Das sei aber nicht unbedingt der Fall: Die Rentenkasse behandele auch Fälle, die dieselbe Person beträfen, oft separat, so die Präsidentin.

Nach wie vor machen jedoch die Hartz-IV-Fälle den größten Batzen aller Verfahren vor dem Sozialgericht aus: Rund 27 Prozent der insgesamt 4388 Fälle im vorigen Jahr drehten sich um Sozialhilfe und Arbeitslosengeld II, gefolgt von 22 Prozent Streitigkeiten zur Rentenversicherung und 19 Prozent der Fälle, bei denen es um die Kranken- und Pflegeversicherung ging.

Der Boom der Hartz-IV-Klagen hält schon eine Weile an: Bereits kurz nach der Einführung der Hartz-IV-Gesetze im Jahr 2005 gingen bereits 691 Klagen am Heilbronner Sozialgericht ein. Einen Höhepunkt erreichte der Trend 2010 mit 1846 Klagen (rund 39 Prozent aller Verfahren in jenem Jahr), seitdem sank die Zahl wieder etwas. Laut der Präsidentin des Sozialgerichts lag das vor allem an der Anhebung der Regelsätze zum 1. Januar des Jahres 2011 – denn damit hätten sich einige Probleme der Leute erledigt.