Bestimmte Gesten sind bei kleinen Affen- und Menschenkindern gleich. Babys setzen allerdings wesentlich schneller ihre Stimme ein. Das deutet auf einen gemeinsamen Vorfahren hin, der vor rund sechs Millionen Jahren lebte.

Stuttgart - Mit dem Finger zeigen, die Arme nach etwas ausstrecken oder als Zeichen heben, dass man hochgenommen werden will: Affen- und Menschenbabys entwickeln auf ganz ähnliche Weise bestimmte kommunikative Gesten. Psychologen der Universität von Kalifornien in Los Angeles analysierten für ihre Studie Videos eines Schimpansenbabys, eines Bonoboäffchens und eines kleinen Mädchens. Die beiden Affenarten sind am nächsten mit dem Menschen verwandt.

 

„Die Ähnlichkeit von Form und Funktion der Gesten eines menschlichen Kindes und eines Babyschimpansen oder -bonobos war bemerkenswert“, sagte die Mitautorin der Studie, Patricia Greenfield. Die Ergebnisse veröffentlichten die US-Wissenschaftler im Fachjournal „Frontiers in Psychology“. Auffallend sei, dass die Gesten aller Teilnehmer vorwiegend kommunikativ seien – etwa mit dem Finger auf etwas zeigen oder die Arme heben und damit die Bitte zu signalisieren, auf den Arm genommen zu werden. Um als kommunikativ eingestuft zu werden, musste eine Geste folgende Merkmale haben: Augenkontakt, Geräusche (aber keine Worte) oder ein sichtbares Bemühen, dem anderen eine Antwort zu entlocken.

Kommunikation mit Gesten, Stimme und Bildsymbolen

Das Mädchen wurde im Alter von 11 bis 18 Monaten per Video analysiert, bei den Affen begann es mit 12 Monaten und endete, als sie 26 Monate alt waren. Jeden Monat wurde jeweils eine Stunde Film von allen drei Teilnehmern ausgewertet. Die Tiere lebten in einem Forschungszentrum in Atlanta, das Mädchen mit seinen Eltern und dem älteren Bruder zusammen. Die Affen lernten die Kommunikation mit Gesten, Stimme und Bildsymbolen – mit dem Mädchen wurde normal gesprochen.

Die Forscher sind überzeugt, dass die Ursprünge der Sprache in den Gesten liegen. Und sie zeigen, wie sich beides gemeinsam entwickelt haben könnte: In der ersten Hälfte der Studie kommunizierte der Affen- und Menschennachwuchs vorwiegend mit Hilfe von Gesten. In der zweiten Hälfte nutzten die Affenkinder immer häufiger Symbole im Form von Bildern, das Menschenkind in Form von Worten. Das kleine Mädchen schaffte es jedoch wesentlich schneller, von den Gesten auf die Symbole umzusteigen. In der zweiten Hälfte dominierten zunehmend Worte ihre Kommunikation, während die beiden Affenkinder weiterhin vorwiegend Gesten nutzten.

„Das war der erste Anzeichen für einen charakteristischen Weg des Menschen zur Sprache“, sagte Greenfield. Parallel zu den Gesten entwickle sich die stimmliche Kommunikation. „Die meisten Gesten des Kindes wurden von Lauten begleitet, die der Affen wurden das selten.“ Dies deute darauf hin, dass die Fähigkeit, Gesten und Laute zu kombinieren, wichtig für die Entwicklung von Sprache ist. Die Wissenschaftler ziehen den Schluss, dass der Mensch eine Sprache mit Gesten und Symbolen von dem letzten Vorfahren geerbt hat, den er mit Schimpansen und Bonobos teilt – einem Vorfahren, der vor ungefähr sechs Millionen Jahren lebte.