Schön war die Alb schon immer, Artenvielfalt gab es auch – doch mit dem Biosphärengebiet wuchs die Identifizierung der Menschen mit ihrer Region. Jetzt feiert das Biosphärengebiet den 5. Geburtstag.

Münsingen - Wenn Münsingens Bürgermeister Mike Münzing in der Ferne seine Heimat lokalisiert, verwendet er nicht mehr den Begriff „im Nahbereich von Stuttgart“, sondern spricht selbstbewusst von der „Schwäbischen Alb“. Der Obstbauer und Spezialitätenbrenner Manuel Straßer aus Dettingen an der Erms sah für die Übernahme des väterlichen Betriebes keine Perspektive. Nun führt er in einem neuen Gastraum mit einer Schaubrennerei vor, wie Geiste aus Obst, Beeren und Wildfrüchten entstehen. Der luftige Raum bietet 55 Gästen Platz. „Er passt zu einer Busgruppe“, lässt Straßer wissen. Und Esslingens Landrat Heinz Eininger berichtet im Biosphärenzentrum Schwäbische Alb von 19 Gemeinden, auch aus dem Kreis Göppingen, die dem Biosphärengebiet liebend gerne beitreten würden. „Das zeigt doch am besten den Erfolg des Biosphärengebietes“, sagen er und seine Landratskollegen Thomas Reumann (Reutlingen) und Heinz Seiffert (Alb-Donau-Kreis). Über eine Aufnahme der Gemeinden soll laut Tübingens Regierungspräsident Hermann Strampfer in den beiden kommenden Jahren entschieden werden. Fällt diese Entscheidung positiv aus, könnte sich das 89 000 Hektar umfassende Biosphärengebiet um gut die Hälfte ausdehnen. „Die Erweiterung muss eine Bereicherung seien“, sagt Landrat Seiffert und dämpft schon einmal überzogenen Erwartungen.

 

„Es herrschte eine absolute Freiwilligkeit“

Vor fünf Jahren hätte das alles ganz anders geklungen. An 26. Juni 2009 hielt der damalige Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) die Urkunde zur Anerkennung als Unesco-Biosphärenreservat erstmals in Händen. Die Regierungspräsidien Stuttgart und Tübingen waren an dem Projekt ebenso beteiligt wie die drei Landkreise und 29 Gemeinden. „Es herrschte beim Zusammenschluss eine absolute Freiwilligkeit“, betont Thomas Reumann im Rückblick. Damals war das Projekt noch von Skepsis begleitet, doch die kritischen Stimmen sind längst verstummt. Jäger und Förster kritisierten damals, dass drei Prozent der gesamten Fläche als Kernzone unberührt bleiben, das könne die Wirtschaftlichkeit beeinträchtigen. Andere fürchteten um ihre Entwicklungsmöglichkeiten im großen Restgebiet. Das Etikett Biosphärengebiet wurde eher als Marketing-Gag abgetan, der den Tourismus ankurbeln sollte. Auch der allseits propagierte Begriff der Nachhaltigkeit wurde nicht immer gern ausgesprochen. „Doch inzwischen wird nachhaltige Wirtschaft nicht nur als Kostenfaktor gesehen, sondern als Verkaufsargument“, erläutert Landrat Reumann. Er berichtet von mittlerweile 500 umgesetzten Projekten, viele Hotels, Gastronomen und ökologisch ausgerichtete Betriebe nennen sich Biosphärengebiets-Partner. Jeder Euro Zuschuss ziehe 2,3 Euro an Investitionen nach sich, sagt Reumann. Insgesamt geht es um rund eine Million Euro jährlich, die vom Land, den Kommunen und aus anderen Töpfen dem Gebiet auf der Alb zugute kommen. Etliche neue Arbeitsplätze sind entstanden. Abseits von allen rationalen Argumenten hat Reumann eine Bewusstseinsänderung und stärkere Identifikation mit der Landschaft der Schwäbischen Alb registriert. Regierungspräsident Strampfer nennt das Gebiet ein Erfolgsmodell für andere Regionen. Auslöser für seine Entstehung war die Aufgabe des 6700 Hektar umfassenden Truppenübungsplatzes Münsingen durch die Bundeswehr 2005.

Leise Eifersucht auf den Nationalparkt

Bei aller Freude über das Erreichte ist unter den Gestaltern des Biosphärengebietes auch leichte Eifersucht auf den neuen Nationalpark im Schwarzwald spürbar. Bei allen Unterschieden sei die personelle Ausstattung durch das Land dort weitaus besser, wird argumentiert. Konkret fordert Thomas Reumann für das Biosphärengebiet zwei zusätzliche Stellen zu den 13 bestehenden, die sich vor allem um die Bereiche Klimaschutz, Streuobstwieden und Forst kümmern sollen. Und richtig ärgerlich sind die Macher über die zögerliche Haltung des Bundes beim Verkauf des idyllischen Alten Lagers samt seinen 150, teils denkmalgeschützten Garnisonsgebäuden.

Vor dessen Toren ist das Biosphärenzentrum entstanden, mit einer gut besuchten Dauerausstellung für große und kleine Besucher. Doch wer von dort aus den Truppenübungsplatz erkunden will, dem bleibt der Weg durch die 70 Hektar umfassende Kleinstadt versperrt. Erst in 1,5 Kilometer Entfernung öffnet sich der nächste Zugang zum landschaftlich eindrucksvollen ehemaligen Militärgelände. Mike Münzing hofft, dass es „noch im diesem Jahr“ zum Verkauf des Alten Lagers kommt. Ein privater Investor hat ein Gebot abgegeben, auch die Stadt Münsingen steht als Käufer bereit. „Wir sind handlungsfähig“, betont Münzing. Immerhin geht es um 250 000 Tagestouristen, die den Truppenübungsplatz jedes Jahr erkunden.