Auf Raser wartet diese Woche nicht nur Regenwetter, sondern auch ein Blitzlichtgewitter. So ist es gedacht beim Blitzermarathon, der nun schon seit zehn Jahren bei der Polizei ausgerufen wird.

Lokales: Wolf-Dieter Obst (wdo)

Fast scheint es so, als hätten zwei Sportwagenfahrer noch einmal schnell die Zeit vor dem einwöchigen Blitzermarathon nutzen wollen. Ein 26-Jähriger in einem Ford Mustang aus Esslingen und ein 19-jähriger Stuttgarter in einem Porsche Cayenne liefern sich nachts ein illegales Autorennen durch den Norden Stuttgarts. Geblitzt werden sie nicht. Erwischt werden sie trotzdem. Zeugen hatten eine umfangreiche Fahndung der Polizei ausgelöst.

 

Am Freitag ist der Haupttag des Blitzermarathons

In dieser Woche müssen Raser nicht nur mit aufmerksamen Zeugen, sondern auch mit verstärktem Kontrolldruck rechnen. Die europaweite Verkehrsaktion Speedmarathon, hierzulande auch als Blitzermarathon bekannt, nimmt im Frühjahr wieder Autofahrer mit Bleifuß auf dem Gaspedal ins Visier. „Das soll das Gefahrenbewusstsein für die Unfallursache Nummer eins bei tödlichen Verkehrsunfällen stärken“, sagt Yvonne Kremer, eine Sprecherin des baden-württembergischen Innenministeriums. Der Höhepunkt der Aktion soll am Freitag stattfinden.

Doch werden damit tatsächlich mehr Temposünder erwischt? Oder werden sie vorher abgeschreckt? Und wie sieht der tatsächliche Mehraufwand aus, der von den Polizeipräsidien in den Ländern und speziell im Südwesten für das europäische Verkehrspolizeinetzwerk Roadpol betrieben wird? Nach zehn Jahren Marathon ist eine gewisse Routine eingekehrt.

Die Ausbeute ist recht unterschiedlich

Ein Musterbeispiel ist das Polizeipräsidium Ludwigsburg, das unter anderem für die Autobahnabschnitte rund um Stuttgart zuständig ist. Auf der A 8 und A 81 gehört überhöhte oder nicht angepasste Geschwindigkeit eindeutig zur Hauptunfallursache – mit einem Anteil von mehr als 40 Prozent. Tendenz: gestiegen. Es folgen zu geringer Abstand mit 21 Prozent und Fehler beim Überholen mit 17 Prozent.

Im vorigen Jahr setzten die Ludwigsburger 160 Beamtinnen und Beamte ein, nahmen mehr als 13 600 Fahrzeuge in den Kreisen Böblingen und Ludwigsburg ins Visier. Dabei wurden 645 Verkehrssünder erwischt – eine Quote von 4,7 Prozent. 2021 hatte man mit 8510 Fahrzeugen indes weniger Fahrzeuge angemessen – und doch mehr Verstöße, nämlich 1088, registriert. Also eine Quote von 12,8 Prozent. Warum dieser Unterschied bei vergleichbarer Kontrollintensität? Ein Coronaeffekt? „Auf den ersten Blick gibt es für die unterschiedlichen Quoten keine Erklärung“, sagt die Ludwigsburger Polizeisprecherin Yvonne Schächtele.

Viele Dienstgruppen entscheiden kurzfristig

In den Landkreisen Reutlingen, Esslingen, Tübingen und Zollern-Alb sind beim letzten Blitzermarathon 546 Temposünder erwischt worden. Für Reutlingens Polizeisprecher Christian Wörner ist das eine hohe Zahl: „Denn die verstärkten Kontrollen waren vorher durch die Medien durchaus bekannt.“ Gleichwohl war die Verkehrssünderquote mit insgesamt 2,1 Prozent vergleichsweise niedrig. Wie wird es diesmal aussehen? Spannend wird die Woche auch für das Polizeipräsidium Aalen, das für den Ostalbkreis, für den Rems-Murr-Kreis und Schwäbisch Hall zuständig ist. Einerseits wurden bei 13 400 kontrollierten Fahrzeugen 681 Verkehrssünder erwischt, was einer Quote von 5,1 Prozent entspricht. Andererseits war man fast ausschließlich nur im Raum Aalen unterwegs. Im Rems-Murr-Kreis wurden nur 234 Fahrzeuge überprüft, allerdings bei einer Temposünderquote von 20 Prozent. „Die Dienstgruppen entschieden teils auch kurzfristig, wo sie kontrollieren“, sagt Aalens Polizeisprecher Robert Kauer.

Der Kniff mit der Doppelkontrolle

In der Statistik der Stuttgarter Polizei steht Geschwindigkeit nur auf Platz sieben der Unfallursachen. Dennoch sei die Verkehrspolizei verstärkt im Einsatz, und „auch die Reviere werden Kontrollen mit den Lasergeräten in ihren Streifendienst einbauen“, sagt die Stuttgarter Polizeisprecherin Jennifer Janoska. Um Personal und Zeit auf die Straße zu bringen, nützen die Dienststellen den sogenannten Wechselschichtergänzungsdienst. Also Arbeitszeit, die vorab als Puffer für Sonderaktionen aller Art in den Dienstplänen reserviert ist.

Auch wenn die Polizeigewerkschaften den Blitzermarathon als geeignetes Mittel gegen Raser sehen. „Der personelle Aufwand ist enorm“, sagt Gundram Lottmann, der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), daher könnten solche Aktionen nur punktuell umgesetzt werden. „In Bezug auf die Nachhaltigkeit wäre es sinnvoll, dass man doppelte Messungen durchführt“, so Lottmann. Eine überraschende zweite Messung einige Hundert Meter weiter könnte bei notorischen Schnellfahrern wirklich ein Umdenken auslösen. Denn bei zwei Verstößen an einem Tag könnte auch sogar ein Fahrverbot fällig werden.