Hubert Wicker war zu Zeiten der Wiedervereinigung Staatssekretär in Sachsen und Baden-Württemberg. Beim Festakt des CDU-Gemeindeverbands Böblingen in Ehningen ließ er die vergangenen 33 Jahre Revue passieren.

33 Jahre ist es her, seit sich Ost- und Westdeutschland zur Bundesrepublik Deutschland zusammengeschlossen haben. Seit 1991 findet an jedem 3. Oktober zu diesem Anlass ein Festakt des CDU-Gemeindeverbands Böblingen in Ehningen statt. Festredner der diesjährigen Veranstaltung ist Hubert Wicker, der zu Zeiten der Wende erst in Sachsen, dann in Baden-Württemberg als Staatssekretär tätig war.

 

„Ein Zeitzeuge könnte man sagen, der beim Aufbau im Osten tatkräftig mitangepackt hat“, erklärt Rafael Piofczyk vom CDU-Gemeindeverband Ehningen. Wicker sieht den Zusammenschluss als Geschenk, für das man dankbar sein muss: „Allen voran den Landsleuten der DDR, die unter Einsatz ihres Lebens gegen die Diktatur auf die Straße gingen und letztendlich die Mauer zu Fall brachten.“

Trotz allem war und ist die Wiedervereinigung nach wie vor mit Herausforderungen verbunden. Insbesondere der Osten musste in den vergangenen drei Jahrzehnten mit großen Veränderungen klarkommen. Die Gesetze der Marktwirtschaft wurden komplett revolutioniert und neue Verwaltungsstrukturen aufgebaut. Die marode Ostwirtschaft brach zusammen, was viele Bürger ihre Arbeitsplätze kostete. Ein Fehler, wie Hubert Wicker heute findet. „Man hätte die ostdeutsche Industrie nicht komplett abschreiben sollen“, sagt er. Unter den Ostdeutschen herrsche seitdem große Angst, dass sich die Geschichte wiederholt.

Menschen zweiter Klasse?

„Im Osten empfinden sich viele Bürger als Menschen zweiter Klasse“, weiß Hubert Wicker. Im Bereich der Gehälter und Vermögen hinkt Ostdeutschland dem Westen noch immer hinterher. Darüber hinaus hat kein DAX-Unternehmen seinen Hauptsitz im Osten, weshalb die Spitzengehälter vor allem im Westen verdient werden. Aus diesem Grund orientieren sich junge Menschen eher in andere Bundesländer, wodurch es vor allem in abgelegeneren Gemeinden an Nachwuchsfachkräften fehlt.

Dass die AfD vor allem in ostdeutschen Bundesländern gute Wahlergebnisse erzielt, hat laut Hubert Wicker aber noch einen anderen Grund. „In der DDR fand keine richtige Aufarbeitung des Kriegs statt“, so Wicker. Der Westen habe deshalb größere Hemmungen, Parteien wie die AfD zu wählen, als der Osten.

Was bei all den Differenzen oft übersehen wird, sind die zahlreichen positiven Entwicklungen, die Ostdeutschland erlebt hat. Die ostdeutsche Wirtschaftskraft entspricht mittlerweile zu 80 Prozent dem Bundesdurchschnitt. Der Prozentsatz der Arbeitslosigkeit ist in den einstelligen Bereich gesunken. Die Lebensunterhaltungskosten sind nach wie vor geringer als im Westen. Die Lebenserwartung durch die bessere Versorgung und gesündere Umweltbedingungen um über sechs Jahre gestiegen. „Der ökonomische Graben zwischen Ost und West ist viel kleiner geworden“, sagt Hubert Wicker. „Ja, die Ostdeutschen haben ihre Gründe, sich benachteiligt zu fühlen – aber es wurde bereits Großes geleistet.“

„Kein Geschenk des Himmels, sondern harte Arbeit“

Die CDU-Politiker sind sich einig, dass man von der Wende einiges lernen kann. „Die Wiedervereinigung war kein Geschenk des Himmels, sondern harte Arbeit“, sagt CDU-Bundestagsabgeordneter Marc Biadacz. „Diesen Mut müssen wir jetzt mit in den Landtag und nach Berlin nehmen.“

Und Matthias Miller, Kreisvorsitzender des CDU-Kreisverbands Böblingen, äußert für die Zukunft einen Wunsch: „Wir sollten nicht mehr so viel in Ost und West denken, sondern von einer Bundesrepublik sprechen – und anfangen, voneinander zu lernen.“