Nach fast dreistündigem bangem Warten kam die erlösende Nachricht: die Entschärfung zweier Weltkriegsbomben ist geglückt.

Koblenz - Gespenstischer Sonntag in Koblenz mit Happy End: stundenlang war das Zentrum der 106.000-Einwohner-Stadt menschenleer. Weil zwei Weltkriegsbomben im Rhein entschärft wurden, mussten 45.000 Menschen ihre Häuser verlassen. Es war die größte Evakuierung wegen Blindgängern in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.

 

Am Ende brauchten die Experten des Kampfmittelräumdienstes knapp drei Stunden, um eine 1,8 Tonnen schwere britische Luftmine, eine 125 Kilogramm schwere US-Bombe sowie ein Fass mit gefährlichen Chemikalien unschädlich zu machen. "Insgesamt lief alles wunderbar", sagte der technische Leiter des Kampfmittelräumdienstes Rheinland-Pfalz, Horst Lenz. Begonnen hatte der Großeinsatz frühmorgens in strömendem Regen.

Wie in einem Endzeitfilm aus Hollywood

"Hier spricht die Bundeswehr im Auftrag der Feuerwehr Koblenz", quäkte es aus Lautsprechern auf tarnfarbenen Geländewagen. Bis neun Uhr am Morgen mussten Anwohner die Sperrzone im Umkreis von 1,8 Kilometern um die Bomben verlassen. Dann durchkämmten rund 1000 Feuerwehrleute und Mitarbeiter des Ordnungsamtes die Straßen und prüften, ob wirklich alle raus waren. "Wir hatten vier Türöffnungen, ansonsten war alles ruhig", sagte ein Polizeisprecher. Dreimal war es Fehlalarm, etwa durch eine Lampe mit Zeitschaltuhr, einmal holten Helfer eine demenzkranke Frau aus ihrer Wohnung. Was zurückblieb, war vielerorts Stille und Leere. Im Hauptbahnhof war auf der Anzeigentafel "Zug fällt aus" zu lesen, die Kerzen mehrerer Weihnachtsbäume beleuchteten eine verlassene Eingangshalle - fast wie in einem Endzeitfilm aus Hollywood. Andernorts dominierte bis zum Mittag das Blaulicht der Einsatzfahrzeuge.

Insgesamt wurden am Tag der Entschärfung noch 320 Bewohner aus Altenheimen sowie 200 Hilfebedürftige aus privaten Haushalten abgeholt. Bereits an den Vortagen waren zwei Krankenhäuser sowie ein Gefängnis geräumt worden. Einigen Bewohnern des Altenheims De Haye'sche Stiftung war die Angst ins Gesicht geschrieben. Schon um fünf Uhr früh wurden sie geweckt. Die 81 Jahre alte Gerti Kraus sagte: "Man mag sich gar nicht ausmalen, was passiert, wenn die Bombe explodiert." Eine Angehörige erzählte von einer Frau, die bitterlich geweint habe: "Sie hat Bombennächte im Zweiten Weltkrieg erlebt, und das kommt jetzt alles wieder hoch." Die sieben Notunterkünfte mit rund 12.000 Plätzen blieben fast leer. Gerade einmal 522 Menschen zählten die Behörden. In einer Sporthalle im Stadtteil Karthause etwa warteten rund 140 Menschen, Platz wäre für 4000 gewesen. Viele Bewohner waren bei Freunden untergekommen. "Oder sie haben das Wochenende für einen Ausflug genutzt", sagte Oberbürgermeister Joachim Hofmann-Göttig (SPD), der selbst in der Sperrzone wohnt und obdachlos auf Zeit war.

"Da kamen Kindheitserinnerungen hoch"

"Ich bin es fast schon gewöhnt", erzählte eine evakuierungserfahrene 77-Jährige in einer anderen Halle. Sie sei schon zweimal betroffen gewesen. "Als heute Morgen der Wagen durch die Straßen fuhr und ich die Lautsprecher-Durchsagen gehört habe, habe ich eine Gänsehaut bekommen. Da kamen Kindheitserinnerungen hoch."

Unterdessen ist gestern auch in Karlsruhe eine Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg entschärft worden. Die 500-Kilogramm-Bombe amerikanischen Fabrikats war bei Bauarbeiten der Stadt entdeckt worden. Sie sei am Vormittag ohne Probleme unschädlich gemacht worden, teilte die Polizei mit. Für die Entschärfung waren keine Evakuierungen nötig.