Titelteam Stuttgarter Zeitung: Peter Stolterfoht (sto)

Allein daran lässt sich ablesen, was für einen Absturz das Boxen in Deutschland in den vergangenen 20 Jahren erlebt hat. In dieser Zeit wurde der Boom zur Blase, und die ist dann irgendwann geplatzt. Genauer gesagt im Jahr 2010. Vor sieben Jahren verlängerte das ZDF nicht mehr den 20-Millionen-Euro schweren Vertrag mit dem Hamburger Boxstall Universum von Hans-Peter Kohl. Zuvor hatten die Schwergewichtsweltmeister Wladimir und Vitali Klitschko sowie Felix Sturm Universum verlassen, um sich selbst zu vermarkten. Damit war dem größten deutschen Boxveranstalter die Geschäftsgrundlage entzogen. Unter neuer Führung mit dem deutsch-kasachischen Geschäftsmann Waldemar Kluch an der Spitze fanden die Boxabende plötzlich nicht mehr in riesigen Hallen statt, sondern in Hotellobbys oder Fitnessstudios, wo dann auch nur sehr überschaubares sportliches Niveau zu sehen war. 2012 ging die Universum-Boxpromotion in die Insolvenz. Seitdem ist die Firma Sauerland so etwas wie der Alleinunterhalter im deutschen Boxen.

 

An diesem Samstag werden von Sauerland in Erfurt Arthur Abraham und Robin Krasniqi in den Ring geschickt, allerdings nur zu einem Ausscheidungskampf, der im MDR übertragen wird.

Dass Boxen in Deutschland kein Publikumsmagnet mehr ist, wundert Conny Mittermeier nicht: „Das Geschäft sollte mit den falschen Mitteln am Laufen gehalten werden. Irgendwann wurde jeder zweite Türsteher in den Ring geholt, mit der Hoffnung, da könnte ja vielleicht ein Knaller dabeisein.“ Der Markt sei einfach übersättigt gewesen, das Rad überdreht, so der Trainer. „Bei den Titeln blickt ja auch keiner mehr durch. Das ist doch Wahnsinn, jeder darf sich heute Europameister nennen und hängt sich dazu fünf Micky-Maus-Gürtel um.“ Für Mittermeier ist es die logische Konsequenz , dass bei einem solch inflationären Umgang mit den Insignien des Sports die Zuschauer aussteigen: „Die Fans sind nicht boxmüde, sie wollen aber klare Verhältnisse und guten Sport sehen.“

Stattdessen wird in Deutschland verstärkt auch über das Rahmenprogramm versucht, Zuschauer zurückzugewinnen. Vor dem WM-Kampf von Tyron Zeuge zum Beispiel sollte ein Kickbox-Duell für Abwechslung sorgen. „Diese Rechnung geht nicht aus“, so Mittermeier.

Was mit hochklassigem Sport in Europa noch möglich ist, zeigt sich gerade in Großbritannien. Vor 90 000 Zuschauern im ausverkauften Londoner Wembleystadion wird am 29. April Wladimir Klitschko gegen Anthony Joshua um den Schwergewichtstitel boxen. Vergleichbare Feiertage des Boxens haben früher in Deutschland stattgefunden.

Allein daran lässt sich ablesen, was für einen Absturz das Boxen in Deutschland in den vergangenen 20 Jahren erlebt hat. In dieser Zeit wurde der Boom zur Blase, und die ist dann irgendwann geplatzt. Genauer gesagt im Jahr 2010. Vor sieben Jahren verlängerte das ZDF nicht mehr den 20-Millionen-Euro schweren Vertrag mit dem Hamburger Boxstall Universum von Hans-Peter Kohl. Zuvor hatten die Schwergewichtsweltmeister Wladimir und Vitali Klitschko sowie Felix Sturm Universum verlassen, um sich selbst zu vermarkten. Damit war dem größten deutschen Boxveranstalter die Geschäftsgrundlage entzogen. Unter neuer Führung mit dem deutsch-kasachischen Geschäftsmann Waldemar Kluch an der Spitze fanden die Boxabende plötzlich nicht mehr in riesigen Hallen statt, sondern in Hotellobbys oder Fitnessstudios, wo dann auch nur sehr überschaubares sportliches Niveau zu sehen war. 2012 ging die Universum-Boxpromotion in die Insolvenz. Seitdem ist die Firma Sauerland so etwas wie der Alleinunterhalter im deutschen Boxen.

An diesem Samstag werden von Sauerland in Erfurt Arthur Abraham und Robin Krasniqi in den Ring geschickt, allerdings nur zu einem Ausscheidungskampf, der im MDR übertragen wird.

Dass Boxen in Deutschland kein Publikumsmagnet mehr ist, wundert Conny Mittermeier nicht: „Das Geschäft sollte mit den falschen Mitteln am Laufen gehalten werden. Irgendwann wurde jeder zweite Türsteher in den Ring geholt, mit der Hoffnung, da könnte ja vielleicht ein Knaller dabeisein.“ Der Markt sei einfach übersättigt gewesen, das Rad überdreht, so der Trainer. „Bei den Titeln blickt ja auch keiner mehr durch. Das ist doch Wahnsinn, jeder darf sich heute Europameister nennen und hängt sich dazu fünf Micky-Maus-Gürtel um.“ Für Mittermeier ist es die logische Konsequenz , dass bei einem solch inflationären Umgang mit den Insignien des Sports die Zuschauer aussteigen: „Die Fans sind nicht boxmüde, sie wollen aber klare Verhältnisse und guten Sport sehen.“

Stattdessen wird in Deutschland verstärkt auch über das Rahmenprogramm versucht, Zuschauer zurückzugewinnen. Vor dem WM-Kampf von Tyron Zeuge zum Beispiel sollte ein Kickbox-Duell für Abwechslung sorgen. „Diese Rechnung geht nicht aus“, so Mittermeier.

Was mit hochklassigem Sport in Europa noch möglich ist, zeigt sich gerade in Großbritannien. Vor 90 000 Zuschauern im ausverkauften Londoner Wembleystadion wird am 29. April Wladimir Klitschko gegen Anthony Joshua um den Schwergewichtstitel boxen. Vergleichbare Feiertage des Boxens haben früher in Deutschland stattgefunden.

Eine Hauptdarstellerin aus der Hochphase des deutschen Boxens ist Regina Halmich. Bis zu zehn Millionen Fernsehzuschauer sahen der Dauerweltmeisterin aus Karlsruhe zu. Die Boom-Zeiten nutze Halmich, um sich einen hervorragenden Ruf zu erkämpfen, von dem sie heute noch gut leben kann. Gerade ist sie von einer Asien-Kreuzfahrt mit der MS Europa 2 zurückgekehrt, wo sie sich an Bord um die Fitness der zahlungskräftigen Passagiere gekümmert hat. Als das Telefongespräch auf den Zustand des Boxens in Deutschland kommt, bleibt Halmich ihrem Optimismus treu. „Ich glaube, der Tiefpunkt ist bereits wieder überwunden“, sagt sie und verweist darauf, dass es hierzulande durchaus noch vorzeigbare Boxer gibt: „Arthur Abraham, Marco Huck, Jürgen Brähmer oder jetzt den Weltmeister Tyron Zeuge.“ Für die Krise macht die 1976 geborene Halmich neben diversen Fehlurteilen („da fühlen sich dann auch die Zuschauer betrogen“) vor allem die fehlenden Typen verantwortlich. „Die Leute waren fasziniert von unterschiedlichen Charakteren.“ Und sie spricht über den stilsicheren Henry Maske, den bösen Buben Graciano Rocchigiani, den wilden Dariusz Michalczewski, den flinken Sven Ottke und den tragischen Verlierer Axel Schulz.

Gerade an Axel Schulz macht der Philosoph und Box-Experte Hans-Martin Esser aber auch ein deutsches Problem fest. „Seine übertriebene Defensive und das Zaudern wurden als gute Amateurschule ausgelegt“, schreibt Esser in einer Abhandlung über das Boxen und sieht in diesem „deutschen Stil“ teilweise den Niedergang begründet. Zu diesem vorsichtigen Boxen gehöre es auch, sich an einen Weltmeistergürtel zu klammern und sich danach die Gegner entsprechend auszusuchen. „Das Boxen wird aber durch die knappen Kämpfe reizvoll. Es funktioniert nur mit Protagonist und Antagonist. Beide sollte etwa gleich stark sein“, so Esser, der damit auf eine Konstellation abzielt, die in der Sportwissenschaft das „Schmeling-Louis-Phänomen genannt wird.

„In Deutschland haben zu selten die Besten gegeneinander gekämpft“, sagt auch der Trainer Conny Mittermeier. Es sei im Ring und außerhalb zu viel taktiert worden: „Es wurde nur auf das Geld geschaut und nicht auf den Sport.“

Die Trainer-Generation nach den erfolgreichen Drei

Conny Mittermeier gehört zusammen mit dem Schweriner Michael Timm zur Trainergeneration nach den erfolgreichen Drei. Fritz Sdunek ist vor zweieinhalb Jahre gestorben, Manfred Wolke hat sich in den Ruhestand verabschiedet, während Ulli Wegner mit 74 Jahren noch immer Cheftrainer bei Sauerland ist. An ihm kommt im deutschen Boxen immer noch keiner vorbei. So ist mittlerweile der charismatische Wegner der größte deutsche Boxstar. Die Zuschauer wollen vor allem ihn sehen, wie er aus der Ringecke seine Anweisungen brüllt, mit einer heißeren Stimme, die so metallisch klingt, als habe er vor dem Kampf noch schnell ein Pfund Reißnägel gegessen. Mit Wegner verbinden viele Zuschauer die schönen Erinnerungen an große deutsche Boxzeiten.

Conny Mittermeier denkt an die Zukunft. Von den Amateur-Weltmeisterschaften, die im Spätsommer im Hamburg stattfinden, erhofft er sich neuen Schwung für seine Sportart. Und wenn der ausbleibt? „Dann wird es schwer“, sagt der Trainer.