Michael Buback ist entttäuscht, dass das Karlsruher Attentat an seinem Vater vor 40 Jahren unaufgeklärt blieb.
Karlsruhe - Michael Buback ist gemeinsam mit seiner Frau im Skiurlaub in der Schweiz, als er am 7. April 1977 die Nachricht erhält, dass sein Vater von RAF-Terroristen ermordet wurde. Für die Familie ist es ein schwerer Schlag. Dass sein Vater aufgrund seiner Funktion als Generalbundesanwalt zu den besonders gefährdeten Menschen in Deutschland gehörte, sei ihm zwar bewusst gewesen, sagt er später in einem Interview. Auf einen so brutalen Anschlag sei jedoch niemand gefasst gewesen.
Viel Ausdauer und Akribie
Der 32-Jährige steht damals kurz vor dem Abschluss seiner Habilitation. 1981 erhält er einen Ruf auf eine Chemie-Professur an der Universität Göttingen. Dort ist der inzwischen vielfach ausgezeichnete Naturwissenschaftler auch heute noch tätig. „Ich habe immer noch gut zu tun“, sagt der 72-jährige Professor für Technische und Makromolekulare Chemie. Nicht nur in seiner Forschungsarbeit zeichnet er sich durch Ausdauer und Akribie aus. Seit nunmehr zehn Jahren arbeitet er sich immer tiefer in ein ganz anderes Thema ein. Buback will herausfinden, wer die Attentäter von Karlsruhe waren.
Obwohl es diverse Festnahmen, Prozesse und Gerichtsurteile gab, hat die Justiz diese Frage bis heute nicht geklärt. Anders als die staatlichen Ermittler will sich der Sohn des Ermordeten mit diesem unbefriedigenden Ergebnis nicht abfinden. Das glaubt er auch seinem Vater schuldig zu sein. Dieser hatte als Strafverfolger auch nie locker gelassen und spektakuläre Fälle geklärt. Unter anderem gelang es ihm, nach monatelangen Ermittlungen 1969 die Soldatenmörder von Lebach zu fassen.
Private Nachforschungen
Michael Buback hat meterweise Akten und Vernehmungsprotokolle durchgearbeitet, Tausende Emails gelesen, Zeitungsberichte ausgewertet, Gespräche mit Zeugen und Informanten geführt. Seine Ergebnisse veröffentlichte er in dem Buch „Der zweite Tod meines Vaters“. Nicht zuletzt seine privaten Nachforschungen führten dazu, dass die Bundesanwaltschaft vor einigen Jahren neue Ermittlungen gegen Verena Becker aufnahm, die in eine Anklage mündeten. Nach Ansicht von Buback kommt der ehemaligen RAF-Terroristin eine Schlüsselrolle zu.
Becker war 1977 einen Monat nach dem Karlsruher Attentat gemeinsam mit Günter Sonnenberg festgenommen worden. Obwohl sie die Tatwaffe und ein Werkzeug des Motorrads bei sich hatten, von dem aus die Schüsse abgefeuert wurden, wurden beide nicht als Mittäter des Buback-Attentats verurteilt. Der Sohn des Ermordeten fand dies befremdlich.
Nur noch männliche Täter
Bei seinen Recherchen stieß er auf weitere Merkwürdigkeiten. So wurde unmittelbar nach dem Attentat in den Nachrichten verbreitet, dass vermutlich eine Frau auf dem Soziussitz des Motorrads gesessen und die Schüsse abgefeuert habe. Einen Tag später war jedoch plötzlich nur noch von männlichen Tätern die Rede. Buback hat mit seiner Frau als Nebenkläger an dem 21 Monate andauernden Prozess gegen Verena Becker vor dem Oberlandesgericht Stuttgart teilgenommen. 2012 wurde Becker wegen Beihilfe zum Mord zu vier Jahren Haft verurteilt. Nach Ansicht des Gerichts war sie jedoch nicht direkt an der Tat beteiligt.
Kooperation mit dem Verfassungsschutz
Der Wissenschaftler hatte gehofft, dass in dem Prozess endlich die Wahrheit ans Licht kommen würde. Seine Hoffnung erfüllte sich nicht. Dies lag nicht nur daran, dass sich die einstigen RAF-Mitglieder bis heute in Schweigen hüllen. „Ein wesentliches Problem sehe ich darin, dass Verena Becker mit dem Verfassungsschutz kooperiert hat“, meint Buback. 1981 habe Becker gegenüber dem Geheimdienst Angaben zu dem Attentat gemacht. „Dass der Verfassungsschutz mit einer Terroristin kooperiert hat, ist eine schwere Hypothek, die maßgeblich dazu beigetragen hat, dass der Fall bis heute nicht aufgeklärt ist.“
Buback kommt nach seinen umfangreichen Recherchen zu dem Schluss, dass keiner der drei RAF-Terroristen, die wegen des Karlsruher Attentats verurteilt wurden, damals am Tatort war. Er glaubt auch zu wissen, wer die tatsächlichen Mittäter gewesen sind, zumal sich dies aus den bei dem Rechtsanwalt Siegfried Haag sichergestellten „Haag-Mayer-Papieren“ ergebe. Keiner von ihnen sei wegen Mittäterschaft bei dem Attentat verurteilt worden und auch nur einen Tag dafür in Haft gewesen. Es sei nicht leicht für ihn hinzunehmen, dass die Justiz nun keine Chance mehr habe, das Karlsruher Attentat aufzuklären, sagt Buback. „Es ist ein großer Triumph für die Terroristen, dass sie den Generalbundesanwalt und seine zwei Begleiter ermordet haben und für dieses Attentat straffrei bleiben.“