Ungarn stimmt nach langer Blockade des Beitrittswunsches als letztes Land für die Erweiterung der Verteidigungsallianz.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Für Schweden ist es ein historischer Schritt. Seit den Napoleonischen Kriegen Anfang des 19. Jahrhunderte war Stockholm stolz auf seine Neutralität. Nun wird das Land das 32. Mitglied der Nato. Das ungarische Parlament hat mit seiner Zustimmung am Montag die Aufnahme nach langem Zögern möglich gemacht.

 

Die Abgeordneten stimmten mit breiter Mehrheit für den Beitritt, 188 Parlamentarier votierten dafür, 6 dagegen. Die Partei Fidesz von Ministerpräsident Viktor Orban hatte zuvor ihre Blockade beendet. Schwedens Ministerpräsident Ulf Kristersson sprach unmittelbar nach der Abstimmung auf der Online-Plattform X (vormals Twitter) von „einem historischen Tag“. Schweden sei bereit, seinen Teil der Verantwortung für die Sicherheit der Nato zu übernehmen. Auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hieß das Votum willkommen. Schwedens Nato-Mitgliedschaft werde das Bündnis stärker und sicherer machen, schrieb der Norweger auf X.

Ein fast zwei Jahre dauerndes diplomatisches Tauziehen endet

Diesem Schritt vorausgegangen war ein fast zwei Jahre dauerndes diplomatisches Tauziehen zwischen den beiden Ländern, das Viktor Orban für sich entschieden zu haben scheint. Denn Ungarn bekommt vier Kampfjets des schwedischen Typs Jas 39 Gripen. Zudem verlängerten die beiden EU-Länder eine Wartungs- und Logistikvereinbarung zu den bisherigen 14 Gripen-Flugzeugen, die Ungarn seit 2006 von Schweden geleast hat und die 2026 vollständig in ungarischen Besitz übergehen sollen, um zehn Jahre bis 2036. Der Regierungschef betonte aber, dass das Verteidigungsabkommen keine Bedingung für Ungarns Nato-Ratifizierung sei.

Ebenso wichtig für Viktor Orban war ein Besuch des schwedischen Ministerpräsident Ulf Kristersson in Budapest in diesen Tagen. Schon vor dem Treffen jubilierte der ungarische Autokrat auf dem Kurznachrichtendienst X, dass er sich freue, den Regierungschef zu begrüßen. Es sei „eine gute Nachricht, dass unser Streit mit Schweden bald beigelegt wird“. Beide Regierungen seien auf dem besten Weg, „das Vertrauen zwischen den beiden Ländern wiederherzustellen“.

Schwedische Kritik an Ungarn empört führende Politiker der Fidesz-Partei

Orban bezieht sich mit dieser Aussage auf die zum Teil scharfe Kritik der schwedischen Regierung an der in Ungarn grassierenden Korruption, der Vetternwirtschaft und dem Abbau des Rechtsstaats. Immer wieder hatten auch führende Politiker der Fidesz-Partei ihre Empörung angesichts der schwedischen Kritik an den demokratischen Verhältnissen in Ungarn kundgetan.

Dies habe das bilaterale Vertrauen zerstört. Das aber gilt unter Diplomaten als vorgeschobene Erklärung. Denn über Monate hatte sich Ungarn bei seiner Blockade in Sachen schwedischem Nato-Beitritt hinter der Türkei versteckt. Ankara hatte allerdings nach einem Besuch von Ministerpräsident Ulf Kristersson beim Präsidenten Recep Tayyip Erdogan dann doch grünes Licht gegeben.

Orban nicht so frei in seiner Entscheidung, wie er es darstellt

Ausschlaggebend war aber auch in diesem Fall nicht nur die Visite auf allerhöchster Ebene. Unmittelbar nach der Beendigung der türkischen Blockade brachte die US-Regierung den Verkauf von F-16-Kampfjets an Ankara auf den Weg. In Budapest verlangte man daraufhin, mit demselben Respekt behandelt zu werden wie die Türkei. Allerdings war auch Viktor Orban nicht so frei in seiner Entscheidung, wie er gerne darstellt. Denn der Druck im Bündnis auf ihn, die Schweden endlich in die Nato zu lassen, war zuletzt stark gestiegen. Diplomaten berichten, dass auf dem letzten Gipfel der Allianz in dieser Beziehung ungewöhnlich deutliche Worte gefallen seien.

Ungarische Ratifizierung muss beim US-Außenministerium hinterlegt werden

Schweden hat nun die Zustimmung der 31 Nato-Mitglieder. Nachdem das Parlament in Budapest den Beitritt ratifiziert hat, muss dies noch vom Staatspräsidenten bestätigt werden. Dies dürfte eine der ersten Amtshandlungen von Tamas Sulyok werden, den Ungarns Parlament am Montag in derselben Sitzung zum Staatsoberhaupt wählte. Sulyok hatte keinen Gegenkandidaten und wurde von der Fidesz-Partei unterstützt, die im Parlament über eine Zweidrittelmehrheit verfügt. Er ist Nachfolger von Katalin Novak, die vor zwei Wochen wegen ihrer Verwicklungen in einen Pädophilieskandal ihren Rücktritt als Staatschefin erklärte.

Anschließend muss die ungarische Ratifizierung formal beim US-Außenministerium in Washington hinterlegt werden. Schon in den Tagen darauf könnte Schweden mit einer Zeremonie, bei der die schwedische Flagge vor dem Nato-Hauptquartier in Brüssel gehisst wird, als 32. Mitglied in dem Bündnis willkommen geheißen werden.