Die Stuttgarter Stadträte tun sich schwer damit, Partizipation und repräsentative Demokratie in Einklang zu bringen. Ein Leitfaden für Bürgerbeteiligung soll für verbindliche Regeln sorgen.

Stuttgart - Wenn bei einer Podiumsdiskussion über das Thema Bürgerbeteiligung nur etwa 25 Zuhörer anwesend sind, sagt das normalerweise einiges über den Stellenwert des Themas aus. Freilich hatte das Forum Hospitalviertel nach Angaben seines Vorsitzenden Pfarrer Eberhard Schwarz, der den Abend moderierte, die Einladung nicht breit gestreut, sondern vor allem an Vertreter von Institutionen und Bildungseinrichtungen im Hospitalviertel versandt. Das Forum praktiziert und koordiniert Bürgerbeteiligung im Quartier seit 15 Jahren.

 

Die von Schwarz moderierte Diskussion machte vor allem eines deutlich: wie schwer sich die gewählten kommunalen Volksvertreter damit tun, Bürgerbeteiligung mit ihrer eigenen repräsentativen Funktion zu verzahnen. Das liegt unter anderem auch daran, dass es in Stuttgart noch keine Leitlinien für nicht gesetzlich festgeschriebene Partizipationsverfahren gibt. Nächste Woche will OB Fritz Kuhn das Papier vorstellen, an dem die Verwaltung fast zwei Jahre gewerkelt hat. Für Grünen-Fraktionschefin Anna Deparnay-Grunenberg sind die neuen Regularien ein Fortschritt. „Es ist wichtig, festzulegen, wer wann und wie beteiligt wird und auch einen Zeitraum und ein Ziel zu definieren“, so die Stadträtin.

Körner: Riesige Erwartungen der Bürger an die Stadträte

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Alexander Kotz bekannte freimütig, es sei für die ehrenamtlichen Stadträte eine echte Herausforderung, wenn sie mit beteiligungsinteressierten Bürgern konfrontiert würden: „Die Bürger erwarten zu Recht, dass wir Präsenz zeigen, wenn sie ihre Vorschläge entwickeln. Aber das ist für uns ein Zeitproblem.“ Auch SPD-Fraktionschef Martin Körner sprach von einer „riesigen Erwartungshaltung der Bürger“. Viele Stadträte („Entscheider“) fragten sich, was nach welchen Kriterien entschieden werden soll. Körner konstatierte zugleich, dass der Stellenwert der Bürgerbeteiligung immer größer werde, weil die politischen Parteien bei ihrer grundgesetzlich festgelegten Funktion, an der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken, schwächelten. Da konnte sich CDU-Stadtrat Kotz angesichts jüngster Meinungsumfragen den Zwischenruf „Die einen mehr, die anderen weniger“ nicht verkneifen.

Körners Frage „Was wird direkt vom Volk entscheiden und was repräsentativ?“ fasste das Dilemma der Politik , die auf Bürgerideen setzt, zusammen. Kotz mahnte eine bessere Beratung für diejenigen an, die sich einbringen wollten: „Es fällt mir schwer, Bürgerbegehren aus juristischen Gründen im Rat abzulehnen, weil die Frage falsch formuliert ist“, so der S-21-Befürworter, dessen Fraktion gemeinsam mit SPD und Grünen die jüngsten Vorstöße für einen Bürgerentscheid zum Bahnprojekt im Rat abgebügelt hatte.

Zuschuss für das Bürgerforum steht in Frage

Obwohl das Bürgerforum Hospitalviertel als Musterbeispiel und Vorzeigeprojekt der Bürgerbeteiligung von allen Diskutanten gewürdigt wurde, blieb die alles entscheidende Frage des Abends offen: Erhält die Initiative über 2016 hinaus 20 000 Euro Zuschuss von der Stadt? Da hielten sich die Kommunalpolitiker vor den anstehenden Etatberatungen mit Versprechungen zurück. Allein die Bezirksvorsteherin von Stuttgart-Mitte, Veronika Kienzle, sprach sich eindeutig für die „überschaubare Zuwendung“ aus und hatte auch gleich einen Deckungsvorschlag parat. „Stattdessen könnte man weniger Geld für eine bestimmte Werbekampagne ausgeben“, sagte die in Anspielung auf die städtische Co-Finanzierung des S-21-Turmforms.