Das geplante Urteil im Prozess gegen den angeklagten Rickenbacher Bürgermeister hat das Landgericht Waldshut auf November verschoben. Er soll einen Anschlag auf sich selbst vorgetäuscht haben.

Waldshut - Es ist beileibe nicht so, dass der Prozess gegen den Rickenbacher Bürgermeister Norbert Moosmann keine Überraschungen bereithalten würde. Die sind immer möglich. Selbst am letzten Verhandlungstag vor dem Landgericht Waldshut-Tiengen, als schon alle Welt mit einem Urteil rechnet. Moosmann wird vorgeworfen, zusammen mit seinem Lebenspartner am 3. Juli 2011, einem Sonntag, in seinem Dienstzimmer einen Brandanschlag auf sich selbst inszeniert zu haben, um einen Dienstunfall vorzutäuschen und letztlich dauerhaft dienstunfähig geschrieben zu werden. Dadurch, so lautet der Vorwurf der Anklage, wollte Moosmann in den Genuss von höheren Ruhestandsbezügen gelangen. Gut tausend Euro würde der Unterschied betragen.

 

Zudem wird der 41-Jährige des Betrugs in sechs Fällen beschuldigt, weil er Symptome wie Herzbeschwerden, Atemnot und psychische Schäden als Folge der Attacke vorgetäuscht haben soll und sich die Transport- und Behandlungskosten in Höhe von insgesamt 3900 Euro von seiner privaten Krankenkasse und dem kommunalen Versorgungsverband erstatten ließ.

Wie beim Prominentenanwalt Rolf Bossi

Richter Bernhard Seyffert hatte die Beweisaufnahme geschlossen und Staatsanwalt Jürgen Schäfer bereits sein Plädoyer gehalten. Er hatte für den Lebenspartner von Norbert Moosmann eine Geldstrafe von 4500 Euro und für den Hauptangeklagten eine Freiheitsstrafe von einem Jahr zur Bewährung und zusätzlich eine Geldstrafe von 10 000 Euro gefordert, da zauberte Moosmanns Verteidiger Rudolf Fenn (Freiburg) während seines Schlussplädoyers noch weitere Hilfsbeweisanträge aus dem Hut. Das ist ein probates Mittel, das gerne von dem Münchner Prominentenanwalt Rolf Bossi angewandt wurde, um in die vorgezeichnete Prozess-Dramaturgie einzugreifen und (bei Ablehnung der Anträge) gute Gründe für eine Revision zu sammeln.

Die behandelnden Ärzte im Herzzentrum Bad Krozingen, ein psychiatrischer Gutachter, der bei Moosmann eine posttraumatische Störung nebst Depression festgestellt hatte, seien von ihrer Schweigepflicht entbunden und könnten vernommen werden, teilte Fenn mit. Moosmann hatte den Medizinern dies während des Prozesses zunächst nicht gestattet. Der ungeliebte Schultes hat damit vor allem Zeit gewonnen. Denn die Indizien sprechen zumindest nach Auffassung von Staatsanwalt Schäfer deutlich gegen den früheren Betriebspädagogen der Post.

Molotow-Cocktail fliegt durchs Bürofenster

Eine Videokamera hatte aufgezeichnet, wie an jenem Sonntagabend kurz vor der Tat, zwischen 19.30 Uhr und 20 Uhr, ein Fünfer-BMW immer wieder am Rathaus vorbeigefahren war. Kurz vor 20 Uhr war ein Mann für eine Minute ausgestiegen. Gleich darauf soll dann angeblich die Attrappe eines Molotow-Cocktails durch das offene Fenster in das Büro von Moosmann geflogen sein. Moosmann war der Fluchtweg versperrt, weil die Rathaustür mit einem Keil versperrt war.

Am Tatort war ein Bekennerschreiben aufgefunden worden. Die Polizei und die Staatsanwaltschaft sind sich sicher, dass der Anschlag von Moosmann und seinem Partner vorgetäuscht worden war, da der Schultes an jenem Wochenende genau dieses BMW-Modell als Mietwagen ausgeliehen hatte. Zweifelsfrei identifiziert aber wurden weder das Auto noch der Unbekannte. Verteidiger Fenn brachte nun als Variante ins Spiel, der Partner habe sich die Sache allein ausgedacht, um Moosmann dauerhaft vom ungeliebten Rathaus fernzuhalten. Er plädierte auf unschuldig, da der letzte Beweis zur Tat fehle. Nun aber geht der Prozess erst einmal weiter. Am 29. Oktober sollen die Ärzte sprechen.

ltes
2007 wurde Norbert Moosmann als Nachfolger von Georg Keller (1983-2007) zum Bürgermeister gewählt. Der 41-Jährige legte sich schon bald mit der Verwaltung und seinem Gemeinderat an. Der Rat sprach ihm dann das Misstrauen aus.

Krankheit
Moosmann erhielt Drohungen und wurde psychisch krank. Am 3. Juli 2011 soll er mit seinem Partner einen Anschlag auf sich inszeniert haben. Das Landratsamt versetzte Moosmann zum 1. März 2012 in den Ruhestand. Dagegen klagte er.

Ort
Der staatlich anerkannte Luftkurort Rickenbach entstand 1975 im Zuge der baden-württembergischen Gemeindereform. Der Ort mit 3875 Einwohnern besteht aus sechs ehemals selbstständigen Dörfern mit insgesamt 13 Ortschaften.