Reportage: Frank Buchmeier (buc)
Was hatten Sie im Angebot?
Überteuerten Nippes, made in China: Sonnenbrillen, Haarbänder, Halsketten. Mein Verkaufsschlager waren blinkende Plastikherzen für acht Euro. Auch die Wäscheklammer mit Gravuren wie „ Wasen-Held“ und „Bierspecht“ für fünf Euro liefen gut. So etwas kauft wohl niemand, wenn er nüchtern ist. Doch wenn die Gesichter zu Fratzen geworden sind, dann denkt auch der sparsamste Schwabe nicht mehr über Kohle nach. Nach Dienstschluss habe ich dann gesehen, wie Souvenirs zertrampelt am Zeltboden rumlagen. Viele wussten vermutlich am nächsten Morgen nicht einmal mehr, wofür sie ihr Geld rausgeschmissen hatten.
Haben Sie kein Verständnis dafür, dass brave Bürger auch mal für ein paar Stunden die Sau rauslassen wollen?
Ich mache selbst gerne Party, und manchmal trinke ich dabei auch mehr, als ich sollte. Aber ich kenne Grenzen. Man sollte zum Beispiel keine Fremden mit seinem Verhalten belästigen. Dass die Männer überall hinpinkeln, ist zur Wasenzeit ja fast schon normal. Ich habe aber auch erlebt, wie eine Betrunkene in der Stadtbahn ihre Hose runtergelassen und in den Waggon uriniert hat. Auch dass man während des Volksfestes rund um den Wasen bis in die Innenstadt hinein aufpassen muss, dass man nicht in Erbrochenes tritt, finde ich widerwärtig.
Sie betrachten nur die Schattenseiten. Finden Sie es nicht schön, dass junge Leute wieder Dirndl und Lederhosen anziehen, wenn sie auf den Wasen pilgern? Das zeigt, dass es ihnen auch darum geht, alte Traditionen wieder aufleben zu lassen.
Ach, das sind doch bloß Verkleidungen, die möglichst sexy aussehen sollen. In Wahrheit haben die Feste auf dem Wasen mit Brauchtum kaum noch etwas zu tun. Abends gibt es in den Bierzelten keine Volksmusik und Blaskapellen mehr, sondern Elektrobeats und Go-go-Girls. Die Betreiber müssen am Puls der Zeit sein, sonst bleiben die Besucher aus.
Wie haben Sie den 17-tägigen Job überstanden?
Mein Team rettete mich. Wir waren in dem Bierzelt zu sechst als Souvenirverkäuferinnen unterwegs. Ganz unterschiedliche Charaktere, aber die gemeinsamen Erfahrungen haben uns zusammengeschweißt. In unserem Lager, einem vollgestopften, schlauchartigen Raum, trafen wir uns regelmäßig zu einem therapeutisch anmutenden Austausch.
Wie ging es Ihnen, wenn Sie nachts um eins oder noch später heimkamen?
Ich hatte massive Einschlafprobleme. Es geht nicht spurlos an einem vorbei, wenn man acht bis zwölf Stunden in einem überheizten, verrauchten, saumäßig lauten Bierzelt verbracht hat. Als ich in meinem Bett lag, trieb es mich schier in den Wahnsinn, dass ich die furchtbaren Volksfest-Schlager nicht aus dem Kopf bekam, die ich während der Arbeit zigfach anhören musste. Am nächsten Tag ging es von vorne los: Ins Dienstdirndl zwängen, die Augenränder überschminken und ab nach Cannstatt. Schon die Hinfahrt mit der Stadtbahn fand ich krass, weil ich den ersten Angetrunkenen begegnete, die auf den Wasen wollten.
Haben Sie als Souvenirverkäuferin wenigstens so viel verdient, wie Sie sich erhofft hatten?
Das Ganze lief auf Provisionsbasis, etwa 25 Prozent des Umsatzes durfte ich behalten. An meinem schlechtesten Tag waren das 60, am besten 220 Euro. Allerdings war ich für das Geld auch lange im Einsatz: unter der Woche von vier Uhr nachmittags bis Mitternacht, am Wochenende von halb elf bis Mitternacht. Anschließend musste ich noch die Abrechnung machen. Ich hätte vielleicht mehr Umsatz machen können, wenn ich offensiver auf die Leute zugegangen wäre, aber aufdringlich zu werden ist echt nicht mein Ding. Meine Verkaufsstrategie beschränkte sich auf ein freundliches Lächeln. Mein Chef klagte übrigens darüber, dass sein Geschäft schlechter läuft, weil die Bierzelte immer mehr zu Discos werden. Wenn es abends im Zelt fast dunkel ist und ein Stroboskoplicht blitzt, kauft kaum noch jemand Souvenirs – man sieht ja nichts mehr.