Jens Weidmann ist einer der bekanntesten Söhne der Stadt Backnang. Am Donnerstag kommt der Präsident der Deutschen Bundesbank, der 1987 in Backnang Abitur gemacht hat, als Hauptredner zu den dortigen Wirtschaftsgesprächen.

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)
Backnang - – Jens Weidmann ist einer der bekanntesten Söhne der Stadt Backnang. Am Donnerstag kommt der Präsident der Deutschen Bundesbank, der im Jahr 1987 am Taus-Gymnasium in Backnang Abitur gemacht hat, als Hauptredner zu den Backnanger Wirtschaftsgesprächen. Im Interview erzählt er von seinen Kindheits- und Jugenderinnerungen.
Herr Weidmann, Sie sind in Backnang aufgewachsen. Welches Bild der Stadt kommt Ihnen zuerst in den Kopf, wenn Sie an Ihre Kindheit denken?
Vor allem der historische Stadtkern mit seinen schönen Fachwerkhäusern. Außerdem erinnere ich mich an die Turmbläser, wie sie zu Weihnachten oder zu Silvester vom Stadtturm heruntergespielt haben. Das hat sich mir eingeprägt, weil es nichts Alltägliches war. Aber natürlich sind mir auch das Straßenfest und die Murr-Regatta sehr lebhaft in Erinnerung geblieben.
Was hat der kleine Jens in den 70er-Jahren an einem freien Nachmittag in Backnang am liebsten unternommen?
Vermutlich das, was die meisten in diesem Alter gemacht haben: meine Freunde und ich sind viel mit dem Rad umhergefahren, ich habe auch gerne Tennis gespielt. An warmen Sommertagen waren wir natürlich am liebsten im Freibad an der Murr.
Sie haben im Jahr 1987 am Taus-Gymnasium Abitur gemacht. Was wollten Sie zur Abizeit werden?
Ich hatte Mathe und Chemie als Leistungskurse. Chemie hat mich in den Jahren vor dem Abitur ziemlich fasziniert, und um ein Haar hätte ich dieses Fach auch studiert. Am Ende habe ich mich aber doch anders entschieden und etwas gewählt, das mehr mit Menschen zu tun hat, ihren Entscheidungen und ihrem wirtschaftlichen Wohlergehen – die Volkswirtschaftslehre.
Ihre Lehrer sagen, Sie hätten schon immer gut mit Zahlen umgehen können. Wie hat sich das im Alltag gezeigt?
Meine Zahlenneigung hat mir in der Schule das Lernen leichter gemacht, sie hat mir aber vor allem im Studium geholfen, denn Volkswirtschaftslehre kann sehr mathematik- und zahlenlastig sein. Allerdings hatte ich auch das Glück, Lehrer zu haben, die Begeisterung für den doch streckenweise trockenen Stoff wecken konnten.
Es heißt, Sie seien damals bescheiden und zurückhaltend gewesen. Hat sich das inzwischen geändert?
Auch heute bevorzuge ich noch die leiseren Töne und bin der Überzeugung, dass es nicht auf die Lautstärke, sondern auf die Kraft der Argumente ankommt.
Die Gretchenfrage anno dazumal: Popper oder Punker?
Oh ja, die Frisur. Da habe ich natürlich wie viele andere einiges ausprobiert. Mal hatte ich die Haare nach oben gegelt – das sah allerdings komisch aus. Mal habe ich es mit Seitenscheitel und Poppertolle versucht. Aber da ich es eher unkompliziert und praktisch mag, hat sich dann bald eine pflegeleichte, eher kürzere Frisur durchgesetzt, mit der ich keinen Stress hatte.
Ihre Lehrer erzählen, Sie seien politisch interessiert gewesen. Was hat Sie zur Abizeit in den zu Ende gehenden 80er-Jahren besonders bewegt? Das Waldsterben? Die atomare Aufrüstung? Der Umweltschutz? Haben Sie damals mit dem Gedanken gespielt, in eine politische Partei einzutreten?
Umweltthemen haben mich zum Beispiel bewegt. Das konnte ich ganz gut mit meiner Neigung für die Chemie verbinden. Mit einem Klassenkameraden habe ich die Wasserqualität der Murr von der Quelle bis nach Stuttgart chemisch untersucht. Wir wollten feststellen, welche Schadstoffe wo eingeleitet werden. Dafür haben wir sogar bei „Jugend forscht“ einen Preis bekommen. Auch entwicklungspolitische Fragen haben mich damals bewegt. Deshalb habe ich mich später beim Internationalen Währungsfonds mit Afrika beschäftigt. Außerdem war ich zeitweise Schulsprecher. Aber für all diese Themen habe ich mich außerhalb politischer Parteien engagiert.
Bei welcher Bank haben Sie in Backnang Ihr erstes Konto eröffnet? Wann war das?
Ich hatte als Kind ein Konto bei der Landesgirokasse. Da waren meine Eltern Kunden, und irgendwann haben sie mich einfach mal mitgenommen, damit ich auch ein Konto eröffnen konnte.
Haben Sie als Kind jedes Zehnerle gespart, oder haben Sie Ihr Taschengeld immer gleich auf den Kopf gehauen?
Als Jugendlicher habe ich eine Zeit lang für meine chemischen Experimente eine ganze Menge Taschengeld ausgegeben – damals war ich guter Kunde bei einigen Apotheken in Backnang, die mir Chemikalien und Gerätschaften verkauft haben. Bücher und Schallplatten, später CDs, habe ich mir auch ziemlich viele gekauft. Insofern war das Geld meist schnell weg. Aber ich erinnere mich, dass ich auch mal auf ein Ziel hin gespart habe, zum Beispiel, um die Musikanlage auszubauen.
Wie viel Taschengeld gibt der Bundesbankpräsident den eigenen Kindern?
Wir orientieren uns bei der Tochter und bei dem Sohn an dem, was jeweils für die Klassenstufe angemessen ist. Aber ich glaube nicht, dass meine Kinder in der Zeitung lesen möchten, wie viel das genau ist.
Wollten Sie eigentlich schon immer möglichst schnell weg aus Backnang? Sie sind nach dem Abi gleich nach Aix-en-Provence in Frankreich gegangen, haben später in Ruanda gearbeitet.
In Backnang und später in Aspach habe ich mich immer sehr wohl gefühlt. Hier bin ich aufgewachsen, das ist meine Heimat. Aber auch Frankreich hat mich früh fasziniert, die Sprache, die Lebensart und die Kultur. Ab meinem 14. Lebensjahr war ich regelmäßig zum Schüleraustausch in Frankreich, und wir hatten junge Franzosen bei uns zu Hause zu Gast. Nach dem Abitur hat es mich daher nach Frankreich gezogen. Aix-en-Provence ist eine bezaubernde Stadt und hat eine traditionsreiche und sehr gute Uni. In Ruanda war ich nur kurze Zeit, dort habe ich während des Studiums ein Praktikum gemacht. Ich war neugierig und wollte die Probleme in dem Land besser verstehen.
Sind Sie regelmäßig bei Ihren Eltern, die in Aspach leben?
Ich besuche sie, wenn ich kann, und vor allem unsere Kinder sind immer wieder ein paar Tage dort. Es gibt da ja auch neben Oma und Opa viele Attraktionen für Kinder – den Erlebnispark Tripsdrill, den Zoo in Stuttgart oder auch den Märchengarten in Ludwigsburg. Meine Eltern kommen aber auch öfter für ein paar Tage zu uns – schließlich haben sie mehr freie Zeit zum Reisen als wir.
Wenn Sie zu Besuch in Aspach sind, dann könnten Sie eine bundesweit prominente Künstlerin treffen: Andrea Berg. Kennen Sie sich? Schon mal ein Konzert der Schlagersängerin in der Arena besucht?
Ich kenne Andrea Berg nicht persönlich, habe aber schon viel von ihr gehört. Meine Eltern mögen ihre Musik sehr gern und gehen auch ab und an im Sonnenhof essen.
Sie stehen also auf andere Musik? Auf Rock? Welche Band?
Heute noch höre ich gerne Musik aus meiner Jugend, weil sie Erinnerungen weckt – die Balladen von Queen oder die inzwischen etwas gereiften Fantastischen Vier. Aber ich liebe es auch, Neues zu entdecken. Daniele Silvestri zum Beispiel, den italienischen Sänger und Songschreiber, oder die französische Nouvelle-Chanson-Sängerin Isabelle Geffroy, die sich mit Künstlernamen ZAZ nennt. Zu meiner Amtseinführung habe ich mir ein Stück des norwegischen Jazzpianisten Ketil Bjørnstad gewünscht.
War eine Rückkehr nach Schwaben jemals Thema im Hause Weidmann?
Meine Familie lebt da, wo meine Frau und ich arbeiten, also in der Nähe von Frankfurt. Anders geht das gar nicht. Und es ist eher unwahrscheinlich, dass wir den Sitz der Bundesbank nach Stuttgart verlagern.