Die Liberalen präsentieren sich auf ihrem Bundesparteitag nach zwei Wahlerfolgen in Norddeutschland wieder selbstbewusst und als Gegenentwurf zur „German Angst“. Der FDP schwebt eine „Republik der Chancen“ vor.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Selten haben sich Parteitage unter rätselhafteren, verschlüsselteren Überschriften versammelt. „German Mut“ prangt in großen Lettern an der Stirnwand der „Station“ im Zentrum Berlins, wo bis Sonntag 662 Liberale tagen. Die „Station“, eine alte Bahnhofshalle, soll zum Umsteigebahnhof für die FDP werden. Von nun an soll es nur noch aufwärts gehen.

 

Dafür steht auch der nicht für jeden auf Anhieb verständliche Leitspruch. Die Freidemokraten reklamieren damit ein neues Alleinstellungsmerkmal. Die politische Konkurrenz kultiviere durchweg auf je eigene Weise die „German Angst“, wie in der angelsächsischen Welt der vermeintlich typisch deutsche Hang zur Bedenkenträgerei, zur Skepsis, zum Sicherheitsdenken und zur Technikfurcht genannt wird. Der FDP hingegen schwebt eine „Republik der Chancen“ vor. Sie wolle „Vertrauen in die Menschen“ zur Leitschnur ihrer Politik machen, formuliert es Parteichef Christian Lindner. Sein Stellvertreter Wolfgang Kubicki sagt es etwas hemdsärmeliger: „Wir wollen keinen Nanny-Staat.“

Erste Erfolge auf einer langen Wegstrecke

Zunächst geht es der Führungsriege jedoch weniger um offensive Propaganda als um das Selbstvertrauen der Liberalen. Kubicki verliest zum Auftakt hämisch Schlagzeilen aus der finstersten Zeit der FDP: vom Untergang ist da die Rede, vom Mangel an jeglichen Perspektiven, von verheerenden Niederlagen. Inzwischen hat sich der Wind gedreht. Die parlamentarische Wiederauferstehung in Hamburg und Bremen lässt Kubicki wieder hoffen. „Diejenigen, die den Abgesang auf die FDP intoniert haben“, sagt der Mann aus Kiel, „müssen jetzt ein neues Lied anstimmen.“ Eine Partei in der Lage der FDP könne mit „kleinmütiger Hosenscheißerei“ nichts ausrichten. So drückt es Helmut Metzner aus. Er war einst Büroleiter des größten liberalen Zweckoptimisten – sein Chef hieß Guido Westerwelle. Dessen Tonlage ist aber nicht mehr gefragt. Selbst der zu Kraftmeierei neigende Kubicki bremst überschießende Euphorie: „Hamburg und Bremen waren erste Erfolge auf einer langen Wegstrecke.“

In gleicher Mission ist der Bundesvorsitzende unterwegs. Die FDP plakatiert in grellen Farben neuen Mut, fürchtet aber offenbar verderblichen Übermut. Parteichef Lindner beginnt seine Rede bei der „Stunde null“ der FDP. Die schlug vor anderthalb Jahren. Damals hatten die Freidemokraten alles verloren: ihren Platz in der Bundesregierung, ihre parlamentarische Präsenz und im Strudel der desaströsen Niederlagen auch die alte Führungsriege. Der Weg heraus aus dem Abseits der außerparlamentarischen Opposition werde „lang, steinig und voller Widerstände“, sagt Lindner. Die erste Etappe hat die Partei unter seiner Regie geschafft. Die Liberalen, so Lindner, hätten sich „von unserer eigenen Ängstlichkeit befreit und den Mut zur Erneuerung gefasst“. Sie hätten sich auch „gesammelt“. Das ist Lindner besonders wichtig: die innere Einigkeit. Die alte FDP sei auch an ihren Grabenkämpfen gescheitert. Lindner wird nicht müde zu betonen, dass eine Wiedergeburt nur als Gemeinschaftswerk erreichbar sei.

Den Eurohassern nicht hinterher gelaufen

Für dieses Gemeinschaftswerk werden die Mitglieder zur Kasse gebeten. Misserfolg schlägt sich auch in der Kasse nieder. Die Partei steht mit 7,5 Millionen Euro in der Kreide. Sie muss eine Sonderumlage erheben: 25 Euro pro Mitglied und Jahr bis 2017. Das ist nicht populär; auch hier ist Mut gefragt – vom Chef, denn er braucht eine Zweidrittel-Mehrheit. Die zähe Debatte über diese Satzungskorrektur stört etwas die Show des Wir-sind-wieder-da-Spektakels. Lindner schafft die Hürde.

Politisch hat Lindner nach eigenem Urteil „eine erste Stabilität erreicht, nicht mehr, aber auch nicht weniger“. Für die Wahrnehmung als relevante Kraft in der Parteienlandschaft zählt allein die Rückkehr in den Bundestag. Bis dahin sei jede Landtagswahl nur ein Meilenstein. Lindner hält sich zugute, dass er die FDP auf Kurs gehalten habe. „Wir sind nicht einen Zentimeter den Eurohassern nachgelaufen“, sagt er. Ungeachtet aller Versuchungen links wie rechts habe die FDP „nie ihre innere Liberalität einem raschen Applaus geopfert“. Was genau er unter „German Mut“ versteht, will er diesen Samstag in einer programmatischen Rede erläutern.