Im Bundesrat fand sich keine Mehrheit für die Anrufung des Vermittlungsausschusses, obwohl Baden-Württemberg dafür gewesen ist.

Das umstrittene Gesetz zur teilweisen Freigabe von Cannabis kann wie geplant am 1. April in Kraft treten. Im Bundesrat, der das Einspruchsgesetz zwar nicht verhindern, aber doch verzögern hätte können, fand sich am Freitag keine Mehrheit für die Anrufung des Vermittlungsausschusses (VA).

 

Politisch betrachtet ist die Durchsetzung eines Prestige-Projektes der Ampelkoalition ein Erfolg für Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Sachlich betrachtet markiert das Gesetz eine historische Wende in der deutschen Drogenpolitik. Dem Gesetz zufolge sollen im öffentlichen Raum Konsum und Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis künftig erlaubt werden, aber ausschließlich für Erwachsene. Im Eigenanbau zu Hause sind bis zu 50 Gramm sowie drei Pflanzen erlaubt.

Begeisterung bei den Ländern hält sich in allerengsten Grenzen

Die entscheidende Sitzung des Bundesrates machte aber erneut deutlich, dass sich bei den Ländern die Begeisterung über das Gesetz in allerengsten Grenzen hält. Letztlich war ausschlaggebend für das Vermeiden des VA, dass sich die meisten Regierungen mit Beteiligung einer der drei Ampelparteien der Stimme enthielten. Das grün-schwarz regierte Baden-Württemberg wollte dagegen den Vermittlungsausschuss anrufen. „Wir begrüßen die grundsätzliche Zielrichtung des Gesetzes“, sagte ein Sprecher der Landesregierung. Der Status Quo sei „so nicht hinnehmbar“. Es ging der Landesregierung um die Amnestieregelung. „Wir wollten einen Vermittlungsausschuss einzig zu einer terminlichen Verschiebung einberufen, damit der Justiz mehr Zeit zur Prüfung der Fälle eingeräumt wird“, sagte der Sprecher.

In der Länderkammer wurde keine große inhaltliche Auseinandersetzung mehr geführt. Es waren die zwei ostdeutschen CDU-Ministerpräsidenten, Reiner Haseloff (Sachsen-Anhalt) und Michael Kretschmer (Sachsen), die die schwersten rhetorischen Geschütze auffuhren. Es werde durch die Teil-Freigabe „mehr Todesfälle geben“, sagte Haseloff und verwies auf verstärkte Gefahren im Straßenverkehr, auf Krebstote durch das Rauchen von Joints und darauf, dass für manche Cannabis auch zur Einstiegsdroge werden könne. Der Staat habe aber „die Pflicht, Menschenleben zu schützen“.

Nachspiel in der sächsischen Landesregierung

Sachsens Regierungschef Kretschmer warf in einer sehr emotionalen Rede der Bundesregierung vor, mit dem Gesetz „die Büchse der Pandora zu öffnen“. Das Ignorieren der Bedenken von Ärzten, Lehrern und der Justiz nannte Kretschmer „demokratieschädlich“. So werde den Bürgern der Eindruck vermittelt: „Du kannst hier nichts erreichen.“ Kretschmers Auftritt könnte noch ein politisches Nachspiel in Sachsen haben. Er stimmte für die Anrufung des Vermittlungsausschusses, obwohl die Koalitionspartner SPD und Grüne damit nicht einverstanden waren. In einem solchen Fall wäre eigentlich eine Enthaltung vereinbart gewesen. Sein SPD-Wirtschaftsminister Martin Dulig stimmte im Bundesrat mit Nein und machte damit die sächsische Stimmabgabe – das Votum jedes Landes muss einhellig erfolgen – ungültig.

Der Hauptangriffspunkt der Kritiker war – parteiübergreifend – aber die drohende Überlastung der Justiz durch die im Gesetz vorgesehene Amnestieregelung. Schon verhängte Haft- oder Geldstrafen wegen Delikten, die nach dem Gesetz in Zukunft nicht mehr strafbar sind, sollen beim Inkrafttreten erlassen werden. Das führt dazu, dass die Staatsanwaltschaften nun eine sechsstellige Zahl von Altfällen neu überprüfen müssen. Der grüne NRW-Justizminister Benjamin Limbach wies darauf hin, „dass sich deshalb alle 16 Landesjustizminister, die aus sechs verschiedenen Parteien kommen, einstimmig für ein verzögertes Inkrafttreten des Gesetzes ausgesprochen haben“.

„Haben wir einen Weg eingeschlagen, der funktioniert?“

Inhaltlich machte sich niemand aus den grün oder SPD-geführten Landesregierungen für das Vorhaben stark. Die Verteidigung seines Gesetzes musste Karl Lauterbach selbst übernehmen. Er widersprach dem Vorwurf, die Büchse der Pandora zu öffnen, mit dem Hinweis auf die aktuelle Lage: Er frage die Kritiker, ob sie zur Kenntnis genommen hätten, dass sich im Jahrzehnt zwischen 2011 und 2021 die Zahl der jugendlichen Konsumenten zwischen 12 und 17 Jahren verdoppelt habe. Es gelte sich deshalb zu fragen: „Haben wir einen Weg eingeschlagen, der funktioniert, oder müssen wir neu nachdenken?“

Er kenne die negativen Erfahrungen aus den Niederlanden, räumte der Minister ein. Dort aber gebe es „die schlechteste Kombination“, einen legalen Konsum, aber der Erwerb müsse über den Schwarzmarkt geschehen. Genau deshalb werde sein Gesetz in engem Rahmen den Anbau legal möglich machen.