Im Arbeitnehmerlager gilt das Gesetz zur Tarifeinheit im Betrieb als heißes Eisen. Einige Gewerkschaften klagen dagegen. Nun hat Karlsruhe zwei Verfassungsbeschwerden zurückgewiesen. Doch kann das Gesetz durchaus noch kippen.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Karlsruhe - Das umstrittene Tarifeinheitsgesetz, das bei kollidierenden Tarifverträgen in einem Betrieb der Vereinbarung der mitgliederstärkeren Gewerkschaft vor Ort den Vorrang einräumt, ist erneut juristisch unbeschadet geblieben. Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerden von zwei berufsständischen Gewerkschaften gegen das Gesetz für unzulässig erklärt, weil es die Beschwerdebefugnis der beiden Organisationen nicht anerkennt. Denn sie seien vom Gesetz praktisch nicht tangiert.

 

Dabei handelt es sich um die Deutsche Feuerwehr-Gewerkschaft (DFeuG) und die Neue Assekuranz Gewerkschaft (NAG), die vor allem beim Versicherungskonzern Ergo aktiv ist. Beide Organisationen wurden erst vor sechs beziehungsweise fünf Jahren gegründet und sind noch in der Aufbauphase. Der DFeuG hält das Gericht vor, bisher nicht am Abschluss eines Tarifvertrags beteiligt zu sein. Und der NAG sei von Gerichten bereits die Fähigkeit zum rechtswirksamen Abschluss von Tarifverträgen abgesprochen worden – der zuständige Arbeitgeberverband habe Verhandlungen abgelehnt (1 BvR 1707/15 – 1 BvR 2257/15).

Bis Ende des Jahres sollen Entscheidungen fallen

Insgesamt sind nach Angaben eines Gerichtssprechers noch weitere elf Verfassungsbeschwerden anhängig, nachdem sich die Zahl zuletzt weiter erhöht hatte. Er nennt keine Namen. Klar ist aber, dass die Schwergewichte Beamtenbund (DBB), Gewerkschaft Deutscher Lokführer (GDL) und Verdi gegen die Tarifeinheit klagen. Bis Ende 2016 solle in der Hauptsache darüber entschieden werden. Ob der erste Senat eine mündliche Verhandlung ansetzt, ist noch offen. Dann könnte es eng werden mit einer Urteilsverkündung in diesem Jahr.

Das Tarifeinheitsgesetz war nach jahrelanger Auseinandersetzung zwischen Politik, Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften – aber auch innerhalb des DGB – am 10. Juli 2015 in Kraft getreten. Davor war nicht gesetzlich geregelt, was bei einer Überschneidung von Tarifverträgen in einem Betrieb passieren muss. Nach dem sogenannten Spezialitätenprinzip setzte sich dann in der Rechtsprechung der Tarifvertrag durch, der den Erfordernissen des Betriebs eher Rechnung trug – vornehmlich das Abkommen mit einer Berufsgewerkschaft. Diese Spezialistenorganisationen sehen durch das Gesetz ihren Einfluss beschnitten. Bereits im Oktober 2015 hatte Karlsruhe drei Eilanträge der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, der Pilotenvereinigung Cockpit und des Deutschen Journalisten-Verbandes abgelehnt. Als Signal für eine endgültige Bestätigung der Tarifeinheit war dies aber nicht zu verstehen – das Gesetz kann durchaus noch kippen.