Schwule oder Lesben, so haben die Richter des Bunderverfassungsgerichts in Karlsruhe entschieden, dürfen in einer eingetragenen Partnerschaft auch ein von ihrem Partner zuvor angenommenes Kind adoptieren.

Stuttgart - Das Bundesverfassungsgericht hat homosexuellen Lebenspartnern faktisch das volle Adoptionsrecht gewährt und die bisherige Beschränkung für verfassungswidrig erklärt. Ermöglicht wird schwulen und lesbischen Paaren, die in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben, das gemeinsame Adoptionsrecht auf dem Umweg über die sogenannte Sukzessivadoption, die bisher verboten war. Dabei adoptiert zunächst einer der beiden Partner ein Kind; in einem zweiten Schritt adoptiert danach auch der zweite Partner dieses Kind. Die sofortige gemeinsame Adoption, wie sie bei Ehepaaren nicht nur möglich ist, sondern vom Gesetz gefordert wird, bleibt homosexuellen Lebenspartnern zunächst auch weiterhin untersagt.

 

Das Bundesverfassungsgericht hat über zwei Fälle entschieden. Erfolg hatte ein schwuler Mann, dessen Partner in Rumänien ein Kind adoptiert hatte. Erfolgreich war auch eine lesbische Frau, deren Partnerin in Bulgarien ein Kind adoptiert hatte. Beide Kläger gingen kurz darauf eine eingetragene Lebenspartnerschaft ein und beantragten, das Kind ebenfalls adoptieren zu dürfen. Damit hatten sie nun Erfolg.

Die Entscheidung des Verfassungsgerichts erweitert die Rechte der Lebenspartner und des Kindes, verändert aber nicht den Alltag der Beteiligten. Die Kinder wuchsen bisher schon in der homosexuellen Partnerschaft auf und wurden faktisch von beiden Partnern betreut. Neu ist, dass der andere Partner nach der Adoption künftig auch alle Rechte eines Elternteils hat und das Kind in allen Fragen rechtlich nach außen vertreten kann. Das Kind wiederum erhält unter anderem ein Erb- und Unterhaltsrecht.

Benachteiligung ist nicht gerechtfertigt

Nach deutschem Recht können sowohl Einzelpersonen als auch Ehepaare ein Kind adoptieren, wenn sie die Voraussetzungen dafür erfüllen. Erlaubt war bisher schon, dass homosexuelle Lebenspartner die leiblichen Kinder des anderen Partners adoptieren können.

Der Erste Senat des Verfassungsgerichts argumentiert, das alte Recht verletze sowohl das Recht der betroffenen Kinder als auch der Lebenspartner auf Gleichbehandlung. Die Benachteiligung sei nicht dadurch gerechtfertigt, dass die Adoptiveltern Homosexuelle sind. Diese könnten „ebenso wie Partner in einer Ehe in dauerhaften rechtlichen Bindungen für das Wohl des Kindes sorgen“, so der Senatsvorsitzende Ferdinand Kirchhof.

Die Richter stützen ihr Urteil auf die Stellungnahmen von elf „sachkundigen Auskunftspersonen“. Darunter sind Verbände von Psychologen, Psychotherapeuten, Jugendhelfern und Familienrechtlern, aber auch Interessenvertreter der Homosexuellen. Zehn der elf Experten sprachen sich für eine Änderung des Rechts aus und argumentierten, homosexuelle Erwachsene seien ebenso kompetente Eltern wie Ehepaare. Lediglich der Deutsche Familienverband erklärte, dass es für die Selbstfindung eines Kindes wichtig sei, wenn es in einer guten Beziehung zu Mutter und Vater aufwachse.

Zwei Bezugspersonen seien besser

Die Verfassungsrichter argumentieren weiter, es sei für das Kind besser, wenn es zwei statt nur eine verlässliche Bezugsperson habe. Die zusätzliche Adoption durch den anderen Partner sei dem Wohl des Kindes deshalb zuträglich und geeignet, „stabilisierende entwicklungspsychologische Effekte zu entfalten“. Außerdem profitiere das Kind bei Unterhalt und Erbrecht von der doppelten Elternschaft.

Der Gesetzgeber muss nun bis Juni 2014 eine neue Regelung schaffen. Die „Sukzessivadoption“ ist aber von sofort an möglich. Dies sei notwendig, um „unzumutbare Nachteile“ zu verhindern.

Die Verfassungsrichter schreiben ausdrücklich fest, dass Homosexuelle, die als eingetragene Lebenspartner „mit dem leiblichen oder angenommenen Kind eines Lebenspartners in sozial-familiärer Gemeinschaft leben“, eine besonders „geschützte Familie im Sinne des Grundgesetzes sind“. (Aktenzeichen: 1 BvL 1/11)

Stuttgart -