Wie findet man neue Reservisten für die Bundeswehr? Neuerdings auch über Facebook. Und jetzt gibt es sogar eine Ausbildung für Freiwillige, die vorher noch nie bei der Bundeswehr gedient hatten. Ob das funktioniert?

Stuttgart - Behaupte keiner, der Bundeswehr mangele es an konstruktiven Ideen oder innovativen Ansätzen. Dank solcher haben am Sonntag 26 Männer und Frauen in der Stuttgarter Theodor-Heuss-Kaserne ihr feierliches Gelöbnis auf die Bundesrepublik Deutschland abgelegt. In fünf Wochen kommt noch eine ähnlich große Gruppe dazu. „Ein gelungener Einstand für unser Pilotprojekt“, sagt Joachim Fallert, Oberstleutnant der Reserve und Vorsitzender der Landesgruppe Baden-Württemberg im Verband der Reservisten der Bundeswehr.

 

Fallert hatte im Juli 2017 einen öffentlichen Aufruf gestartet und sich dabei eines Mediums bedient, das viele auf den ersten Blick sicherlich nicht mit der Bundeswehr in Verbindung bringen würden. Ausschließlich über das soziale Netzwerk Facebook lud Fallert interessierte Zivilisten ein, sich zu Soldaten ausbilden zu lassen. „Schon auf den ersten Aufruf meldeten sich 127 Personen“, so Fallert über das „überwältigende Ergebnis“. Damit konnte das Projekt „Ausbildung von Ungedienten für die Reserve“, das der Reservistenverband gemeinsam mit dem Bundeswehr-Landeskommando Baden-Württemberg anpacken wollte, in die Realisierungsphase übergehen.

Vom Handwerker bis zum Lehrer

Die 127 Interessierten wurden zu zwei Informationsabenden eingeladen, dort mit Details der geplanten Ausbildung versorgt. „80 Bürger haben dann den konkreten Wunsch geäußert, mitmachen zu wollen, und 50 Personen sind nach Sicherheitsüberprüfung und Tauglichkeitsfeststellung schließlich übrig geblieben“, erläutert Oberstleutnant Markus Kirchenbauer vom Landeskommando den Ausleseprozess.

Für die sehr heterogene Gruppe – vom 18-jährigen Handwerker über den Akademiker bis zum 54 Jahre alten Lehrer sowie von der Büroangestellten bis zur Mutter – ist eine Modulausbildung in vier Schritten vorgesehen. An drei verlängerten Wochenenden, jeweils von Freitag bis Sonntag, soll durch altgediente Reservisten und durch aktive Soldaten das Grundgerüst vermittelt werden.

Den Abschluss bildet im August ein einwöchiger Aufenthalt auf dem Truppenübungsplatz. „In diesen insgesamt 16 Tagen können wir natürlich keine abgeschlossene Soldatenausbildung leisten. Aber wir erreichen eine Grundbefähigung der neuen Rekruten für den Einsatz im Wach- und Sicherungsdienst“, sagt Joachim Fallert über das Ziel des Projekts, für das es in dieser Form bundesweit kaum eine Parallele gibt. „Der Landesverband Bayern hat 2016 mal etwas Ähnliches versucht, und von ganz oben gibt es noch keine Weisung hierzu“, so Fallert und Kirchenbauer unisono.

Die Bundeswehr betritt Neuland

Auch Oberst Christian Walkling ging bei seiner Ansprache vor dem Gelöbnis auf diesen Aspekt ein. „Wir betreten mit dieser Form der Ausbildung von Freiwilligen Neuland im wahrsten Sinne des Wortes“, sagte der Kommandeur des Landeskommandos. Er hält den neuen Weg für überfällig: „Auch ungedienten Bürgerinnen und Bürgern, die sich in der Reserve für die Sicherheit und zum Wohl unseres Landes engagieren wollen, müssen glaubwürdige Angebote für ihr Engagement gemacht werden.“ Natürlich steckt auch massives Eigeninteresse dahinter. Von bundesweit 62 000 Reservistenstellen sind nach Fallerts Einschätzung derzeit nur 45 Prozent besetzt.

„Ich mache das fürs Vaterland, für die Gesellschaft und für mich selber. Für mich ist die Bundeswehr etwas Ehrenhaftes“, begründet Greta Müllebauer ihr Mitmachen. Die 27-Jährige aus Filderstadt, im zivilen Leben Bürosachbearbeiterin in der Administration, hat ein intensives erstes Modul hinter sich. „Das waren drei Tage mit sehr viel Input, alles sehr interessant und für mich ein ganz neuer Einblick“, sagt sie. Neben zahlreichen Theorieeinheiten durfte die Gruppe aber auch schon einmal ein Gewehr in die Hand nehmen und das Marschieren proben. „Alles sehr positiv, die Ausbilder sind toll und mit Leidenschaft dabei. Und schon nach drei Tagen haben wir eine schöne Gemeinschaft in der Gruppe“ – Greta Müllebauer hat ihre Entscheidung also nicht bereut. Dass nur drei Frauen unter den 26 Rekruten sind, stört sie nicht: „Hier wird kein Unterschied gemacht, niemand diskriminiert. Frauen kann ich das nur empfehlen.“