Die Nationalelf um Bundestrainer Jogi Löw fiebert mit den Bayern im Champions-League-Finale mit – auch aus eigenen Interessen.

München - Das Wetter ist sehr gut gewesen, im Hotel fehlte es an nichts. Trotzdem waren die neuen Gäste sichtbar schlecht gelaunt. Als Verlierer des Champions-League-Finals gegen Inter Mailand reisten die Spieler des FC Bayern vor zwei Jahren ins Trainingslager nach Südtirol, wo sich die deutsche Nationalmannschaft auf die Weltmeisterschaft 2010 vorbereitete. „Wir waren niedergeschlagen und mussten erst einmal aufgebaut werden“, erinnert sich der Stürmer Miroslav Klose, der damals zum Team der Unterlegenen zählte.

 

Ein ähnliches Szenario droht auch jetzt wieder, wenn die Bayern gegen den FC Chelsea erneut um die europäische Fußballkrone spielen. Im Laufe der nächsten Woche werden die Münchner im DFB-Mannschaftsquartier in Südfrankreich erwartet, wohin der deutsche Tross heute nach den Tagen auf Sardinien übersiedelt. Besonders groß ist die Hoffnung, dass sie diesmal als strahlende Sieger eintreffen. Denn der Unterschied zu 2010 ist: eine Niederlage würde die acht Münchner Nationalspieler ungleich härter Treffen als beim letzten Mal, als die Nationalelf anschließend in Südafrika, angeführt von Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger, bis ins WM-Halbfinale stürmte.

Damals waren die Bayern erst souverän Deutscher Meister geworden und hatten durch ein imposantes 4:0 gegen Werder Bremen den Vereinspokal gewonnen, ehe sie in Madrid mit 0:2 gegen Mailand verloren. Diesmal mussten sie Dortmund nicht nur in der Bundesliga den Vortritt lassen, sondern sich anschließend von der Borussia beim 2:5 auch noch im Pokalfinale demütigen lassen. Der ultimative Tiefschlag wäre nun eine Niederlage in diesem Champions-League-Finale in der eigenen Arena, das für die Münchner ein Ereignis von historischer Dimension darstellt. „Das wäre nur schwer wegzustecken“, sagt der Bundestrainer Joachim Löw.

„Bremsen und von ihrer Wolke herunterholen“

Als „unglaublich wichtig“ empfindet es daher Miroslav Klose, dass die Bayern gewinnen. Nicht trösten und mühsam aufpäppeln müsste man in diesem Falle die Abordnung des Rekordmeisters, die das Gerippe der Nationalmannschaft bildet. Sondern: „Man müsste sie eher bremsen und von ihrer Wolke herunterholen.“ Nicht zuletzt im ganz eigenen Interesse sind daher die deutschen Nationalspieler der anderen Clubs glühende Bayern-Fans, wenn sie sich im Golfhotel Terre Blanche im Hinterland der Côte d’Azur zum gemeinsamen Fußballschauen vor dem Großbildschirm versammeln.

Einen Schub erhofft sich die Nationalmannschaft von den Münchnern, nachdem die EM-Vorbereitung bisher mehr als holprig verlaufen ist. Aufgrund von Blessuren und dem verspäteten Eintreffen vieler Spieler hat Joachim Löw zuletzt von einem „zerrütteten Trainingslager“ gesprochen– und setzt nun darauf, dass selbstbewusste Bayern nach ihrer Ankunft dazu beitragen, rechtzeitig vor dem ersten Gruppenspiel gegen Portugal am 9. Juni die Kurve zu bekommen. „Gefühlsmäßig sage ich: die schaffen das“, erklärt der Bundestrainer, den freilich nicht nur das Ergebnis interessiert: „Wichtig ist zuallererst, dass sich keiner verletzt.“

Und selbst wenn die Bayern verlieren: einen Grund, die Mannschaft kurzfristig von der Europameisterschaft abzumelden, gäbe es auch dann nicht. Vor zehn Jahren reisten Michael Ballack und die anderen Leverkusener Nationalspieler als Vizemeister, Vizepokal- und Vize-Champions-League-Sieger zur Weltmeisterschaft nach Asien und wurden dort immerhin Vizeweltmeister.