Der FC Bayern München pendelt vor dem Champions-League-Finale am Samstag gegen den FC Chelsea zwischen Lust- und Frustfußball.

Sport: Carlos Ubina (cu)

München - Der FC Bayern hat es schwer. Ständig muss er das Spiel machen. Fortlaufend muss er eine Lücke im Deckungsverbund des Gegners suchen oder sie gar reißen. Hat er sie gefunden, muss er quasi durch dieses Nadelöhr passen, dribbeln oder sich durchwuchten. Das kann nerven. Das kostet auch Kraft. Vor allem, wenn diese auf Schaffen und nicht Zerstören ausgelegte Spielanlage vor dem Spiel der Spiele auf einmal wieder hinterfragt wird – und das nicht nur von außen.

 

Die Frage ist natürlich etwas unfair, weil die Münchner Fußballer am Samstag ja die große Chance haben, gegen den FC Chelsea das Champions-League-Finale zu gewinnen und damit eine sportlich gute Saison sogar noch krönen können. Die Frage ist ebenso deshalb ungerecht, weil der FC Bayern vor zwei Jahren ebenfalls im Endspiel der europäischen Königsklasse stand und nicht alles falsch gemacht haben kann.

Das Spiel wirkt schematisch

Doch die Frage hat eben auch ihre Berechtigung, weil sich hinter ihr – trotz der vielen Erfolge – ein Problem verbirgt: das Bayern-Spiel wirkt in seinen schlechten Phasen schematisch. Immer geht es kontrolliert aus der Abwehr heraus, meist wird der Ball dann über die beiden Flügelflitzer Franck Ribéry und Arjen Robben nach vorne getragen. Manchmal, aber auch nur manchmal, wird schnell und steil in die Spitze auf Mario Gomez gespielt.

Die Fähigkeiten dieser Ausnahmespieler sind schon oft gelobt worden. Ihre Genialität, ihre Dynamik, ihre Durchschlagskraft. So viel Potenzial bietet kaum eine Offensive. Allerdings handelt es sich um Einzelpotenziale, die sich häufig zwar addieren lassen, aber deshalb noch kein abgestimmtes Mannschaftsspiel ergeben.

„ Mit Gomez, Ribéry, Robben und auch Thomas Müller haben die Bayern ein sehr technisches Team mit viel Schnelligkeit“, sagt auch Roberto di Matteo. Es ist die Lustseite des Münchner Spiels, die Chelseas Coach beschreibt. Sie kann mitreißend und spektakulär sein. Es wäre jedoch zu viel zu behaupten, di Matteo habe am vergangenen Samstag das Berliner Olympiastadion nach dem Pokalfinale missvergnügt verlassen. Schließlich wurde dem Italiener ein astreiner Matchplan geliefert, wie diese Bayern zu schlagen sind. Und sollte diese eine Beobachtung nicht genügen, dann gibt es ja mittlerweile eine fünfteilige Serie davon. Produziert und nahezu perfekt umgesetzt von Borussia Dortmund.

Chelseas Trainer di Matteo fürchtet die Bayern-Offensive

Fünfmal in Folge hat die Elf von Jürgen Klopp den großen FC Bayern nun besiegt, immer mit den gleichen Mitteln und Methoden: Leidenschaft und Laufbereitschaft, Pressing und rasantes Umschalten nach der kollektiven Balleroberung. Ein wenig Glück war auch dabei, doch stets haben die Westfalen auf vermehrten Ballbesitz verzichtet. Warum sollten sie das Spielgerät auch haben wollen, wenn ihnen die Münchner regelmäßig in die Falle tappen.

Nun steht zu erwarten, dass es die Londoner auf eine ähnliche Weise versuchen werden. „Wir müssen die Fehler schnell analysieren, denn Chelsea spielt ähnlich wie Dortmund“, sagt Bastian Schweinsteiger, „mit sehr vielen langen Bällen.“

Doch während der BVB die moderne und auch attraktive Variante praktiziert, ist von den Blues vor allem noch das unschöne Halbfinale im Kopf, das beim FC Barcelona dennoch zum Ziel führte: eine Sechserkette im Strafraum und eine Viererkette davor. Gut, nach dem Platzverweis für John Terry waren sie dann ein Mann weniger.

Wie wird der englische Riegel geknackt?

Den englischen Riegel zu knacken, wird dennoch die eine Aufgabe in der Münchner Arena sein, die andere, eigene Fehler zu vermeiden. Ein Balanceakt, der dem Team von Jupp Heynckes gerade im Pokalfinale nicht gelang. Auch, weil die Balance zwischen Offensivgeist und Defensivdisziplin in der Bayern-Elf nicht stimmte, und in Stresssituationen gar zu leicht aus dem Gleichgewicht gerät. Das Ergebnis ist bekannt – ein erniedrigendes 5:2 und reichlich Ballast für diese Vorbereitungswoche.

Das ist die Frustseite des Münchner Spiels. Heynckes hat sich nach dem Abpfiff in Berlin auch gleich darangemacht, die Geschehnisse selbst zu verarbeiten und verarbeiten zu lassen. Der Coach benannte Fehler und Verursacher (alle gesperrt) ungewohnt deutlich. Er vermied es jedoch, die Profis zu erwähnen, die er am Samstag noch braucht. Wie zum Beispiel Jérôme Boateng oder Bastian Schweinsteiger.

Der eine soll der Abwehr Stabilität verleihen, der andere der ganzen Mannschaft. Denn gerade die Defensive erscheint bei den Münchnern als labile Mischung. Trotz des Heynckes-Arguments: „Wir haben in der Bundesligasaison mit 22 die wenigsten Gegentreffer bekommen.“

Diese Zahl spricht zwar dafür, dass der Trainer Wert auf das Toreverhindern legt. Es hat sich aber ebenso gezeigt, dass Defensivarbeit bei den Bayern nicht immer als mannschaftstaktische Aufgabe aufgefasst wird. Robben und Ribéry rennen bevorzugt nach hinten, wenn es gegen Teams wie Real Madrid geht. Ansonsten halten sie das Ganze für überschätzt – und das macht es dem FC Bayern dann auch ziemlich schwer.