In Feuerbach liegen zwei Chinesischschulen dicht beieinander. Schüler und Lehrer trennt aber mehr als nur Asphalt.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)
Stuttgart - Es ist eine seltene Begegnung. Zwar lehren Chi-Yuan Adakci Kang und Wei Chen Samstag für Samstag in Feuerbach die chinesische Sprache. Ins Gespräch kommen sie jedoch so gut wie nie. Und das, obwohl ihre Schulen an derselben Straße liegen: Die Festlandchinesen lernen im Leibniz-, die Taiwanchinesen im Neuen Gymnasium. In der Freizeit möge es anders sein, im Alltag gebe es selbst für ein kurzes Gespräch meist keinen Anlass und "man hat wenig Zeit", sagt Adakci Kang, "irgendwie kommt man nicht zusammen."

Die Volksrepublik China und die von ihr beanspruchte, aber nicht kontrollierte Insel Taiwan sind durch das chinesische Meer und die politischen Ansichten getrennt. Auch in Stuttgart liegt zwischen Festland- und Taiwanchinesen mehr als nur die Kärntner Straße. Adakci Kangs Schule wird von der taiwanesischen Regierung unterstützt, Chens Schule vom Konsulat der Volksrepublik. Der Konflikt um Taiwans Autonomie wirkt bis nach Stuttgart.

Es gibt keine grundsätzlichen Vorbehalte gegenüber dem anderen


China - ob man Taiwan dazuzählt oder nicht - hat höchst unterschiedliche Regionen mit eigenen Traditionen. Auch das ist ein Grund für die auch schulische Spaltung der hiesigen chinesischen Gemeinde: Die Taiwanchinesen, die 1995 für ihre Kinder eine Sprachschule gründeten, lehrten anfangs nur traditionelle taiwanesische Langzeichen. Diese Schrift war in der Volksrepublik vor mehr als 50 Jahren abgeschafft worden. Folgerichtig entstand in Stuttgart 1997 auch eine Schule der Festlandchinesen.

Bei den Taiwanchinesen im Neuen Gymnasium lernt man längst auch die üblichen Kurzzeichen. Hier wie auf der anderen Straßenseite ist die Herkunft der Schüler grundsätzlich egal. Dennoch lernen diesseits der Kärntner Straße überwiegend Schüler aus taiwanchinesisch-deutschen Mischehen, jenseits vor allem solche festlandchinesischer Abstammung.