Christian Petzold lehnt Digital-Festivals ab „Das sind Methadon-Programme“

Nichts kann ein Live-Ereignis ersetzen: In der kommenden Woche starten die Filmfestspiele in Venedig. Der Regisseur Christian Petzold sitzt in der Jury und freut sich auf seine Aufgabe.
Stuttgart - Der Regisseur Christian Petzold (59) freut sich auf das Filmfestival in Venedig, erwartet aber andere Bilder als sonst. Der Filmemacher („Undine“) sitzt in diesem Jahr in der internationalen Jury. Venedig sei immer ein sehr überfülltes Festival gewesen – „und ich glaube, diesmal ist es dort sehr viel ruhiger“, sagte Petzold in Berlin.
Venedig ist eines der ersten Festivals, das trotz Corona-Pandemie stattfindet. Petzold hat nach eigenen Angaben schon Hinweise von der Festivalleitung bekommen, auf was man achten müsse. „Aber trotzdem: Ich freue mich total auf die Jury, mit der ich dann – vielleicht wie bei Edgar Allen Poe in ,Die Maske des Roten Todes’ – in einem Raum sitzen werde und über Filme sprechen kann.“
Petzold hat Covid-19-Erkankung überstanden
Geleitet wird die Jury von der australischen Schauspielerin Cate Blanchett. Das Gremium vergibt unter anderem den Goldenen Löwen für den besten Film. Wegen der Corona-Pandemie werden diesmal weniger Werke zu sehen sein als in den Vorjahren. Um die Ausbreitung des Sars-Virus einzudämmen, hatten zuletzt viele Kulturveranstaltungen im Internet stattgefunden. Petzold hält das Digitale für keinen adäquaten Ersatz. Alles, was er bisher digital gemacht habe, sei nicht befriedigend.
„Es wird nie das Gespräch und die Gesten und Blicke und all das ersetzen können. Ein digitales Festival? Das sind Methadon-Programme. Das kann man vergessen“, sagte Petzold. Der Berliner warnte zudem davor, die Krankheit Covid-19 zu verharmlosen. Er hatte sich im Frühjahr mit dem Coronavirus infiziert. „Es war eine sehr scheußliche Erfahrung, muss ich sagen.“
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