Ein knappes Jahr nach seinem Ausscheiden aus dem Bundestag fühlt sich der ehemalige CDU-Abgeordnete Klaus Riegert an seiner neuen Wirkungsstätte, dem Christophsbad, wohl. Ein bisschen tut die Aussortierung durch die eigene Partei aber noch weh.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Göppingen - Er ist der Miroslav Klose der Bundestagsfußballmannschaft. Rund 290 Tore in 330 Spielen hat Klaus Riegert in seiner Zeit als Mittelstürmer erzielt – ein Rekord für die Ewigkeit. Zum Ehrenspielführer wurde er ernannt. Eine gläserne Trophäe, in der ein Hologramm des Linksfüßers in feinster Schusshaltung eingelassen ist, reckt sich auf Riegerts Schreibtisch. Doch der steht nicht mehr im Jakob-Kaiser-Haus in Berlin, sondern im historischen Badhaus des Göppinger Christophsbads. Nach 21 Jahren schied Riegert im vergangenen Jahr aus dem Bundestag aus und musste sich auch beruflich neu orientieren. „Ich musste mich resozialisieren“, spöttelt der 55-Jährige über sich und fügt auch ein wenig stolz hinzu: „Ich habe den Prozess gut bewältigt.“

 

Als Politiker erreichte Riegert damals gerade das beste Alter, in dem viele noch zu einem Karrieresprung ansetzen, zum Staatssekretär, Ausschussvorsitzenden oder gar Minister aufsteigen. Auf dem freien Arbeitsmarkt gilt man mit Mitte 50 hingegen als schwer vermittelbar. Klar, Riegert war privilegiert, hatte ein Anrecht auf ein stattliches Übergangsgeld und als ehemaliger Polizeibeamter sogar ein Rückkehrrecht auf seine alte Stelle. Doch wie sollte das funktionieren nach all den Jahren? „Meine Mitstudenten an der Polizeihochschule waren längst in Führungspositionen aufgerückt“, sagt Riegert. Und dann hatte sich auch in der Polizeitechnik, wo er einst gearbeitet hat, viel getan. „Als ich fortging, hatten wir gerade den ersten Täter über seinen genetischen Fingerabdruck überführt.“ Das war damals eine große Sache. Heute ist es Polizeiroutine.

Zuständig fürs Personal

Insofern war es für den gebürtigen Süßener ein Glücksfall, dass das Christophsbad sich für ihn interessierte. In einem Gespräch mit dem Geschäftsführer Bernhard Wehde habe man festgestellt, dass das psychiatrische Krankenhaus jemanden wie ihn gut gebrauchen könnte. Für die Personalentwicklung und für die Stiftungen ist Riegert zuständig. Er organisiert Fort- und Weiterbildungsangebote und bemüht sich darum, dass sich die rund 1200 Mitarbeiter wohl fühlen. Erst kürzlich hat er Dienstfahrräder angeschafft. „Es wird immer schwieriger, neues Personal zu rekrutieren“, sagt Riegert. Deshalb sollen Ärzte und Pflegekräfte die Klinik am Filsufer gar nicht mehr verlassen.

Auch Riegert selbst fühlt sich wohl im Christophsbad. „Im Rückblick war es genau der richtige Zeitpunkt, um aus dem Bundestag auszuscheiden“, sagt er. „Eine große Koalition ist nicht die große Zeit der Parlamentarier.“ Von 2005 bis 2009 hat er das schon mitgemacht und gemerkt, dass in Anbetracht einer winzigen Opposition auch der einzelne Regierungsabgeordnete kaum Einfluss ausüben kann. Auch die anderen denkbaren Konstellationen – schwarz-gelbe Koalition und Opposition hat Riegert in seinen 21 Bundestagsjahren mitgemacht. „Nur eine Koalition mit den Grünen hätte mich noch gereizt.“

Partei falsch eingeschätzt

Trotzdem war die verpasste Nominierung durch die eigene Parteibasis ein Jahr vor der Bundestagswahl für Riegert zunächst ein Schock. „Das hieß ja: ich bin nicht mehr gut genug.“ Mit 198 zu 305 Stimmen musste er sich dem innerhalb der Partei bis dahin unbekannten Landwirt Hermann Färber geschlagen geben. Nie hatte Riegert damit gerechnet. „Ich habe meine Partei falsch eingeschätzt.“ Offenbar nahm man ihm übel, dass er mit seiner neuen Frau in Kirchheim und damit außerhalb des Landkreises wohnte. „Direkt gesagt hat mir das aber niemand“, erinnert sich Riegert, der auch eine gewisse Doppelmoral innerhalb seiner Partei erkennt. Die Trennung von seiner ersten Frau sei kein Problem gewesen, wohl aber, dass er danach wieder geheiratet habe.

Der CDU ist Riegert dennoch treu geblieben. Die Politik vermisst er aber nicht. „Ich habe endlich einen geregelten Tagesablauf“, sagt er. Nur einmal in den vergangenen Monaten habe er Sehnsucht nach dem alten Leben bekommen: am 13. Juli. Als Mitglied des Sportausschusses hätte er die Kanzlerin ins Maracanã-Stadion begleiten dürfen. So sah er den deutschen WM-Sieg zu Hause – in Kirchheim. Auf den Umzug zurück in den Wahlkreis, den er seiner Partei versprochen hatte, verzichtete Riegert nach der verlorenen Nominierung.