Console ist am Donnerstagabend nach Tanzen zumute. Deshalb kriegt das Publikum am Ende, was es will - aber etwas anders als gedacht.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - „Dienstleistungen“, das stellt Martin Gretschmann gegen Ende des Console-Konzerts am Donnerstagabend klar, „gibt’s bei der Bahn“. Wir aber, so die implizite Botschaft, befinden uns hier im relevantesten Stuttgarter Club für elektronische Musik und es stehen fünf Musiker auf der Bühne, die ihr Ding durchziehen. Deshalb, fügt Gretschmann an, werde er jetzt explizit nicht „Suck and Run“ spielen, das bisher tanzbarste Stück Musik, das er mit seinem Elecro-Projekt Console bislang aufgenommen und ausgekoppelt hat. Stattdessen gebe es als Zugabe zwei weitere Songs vom neuen Album „Herself“.

 

Was aber heißt schon Songs? Oder Konzert? Console sind eine musikalische Chimäre – halb Band, halb Electro-Act. Auf der Bühne stehen drei Laptops mit leuchtendem Apfel, zwei Drumpads, ein analoger Synthesizer und ein Becken, als Reminiszenz an die Tonerzeugung mit natürlichem Klangkörper. Die Songs, oder besser: Tracks fließen ineinander; genau zwei Mal ist kurz Zeit für frenetischen Applaus des letztlich in großer Zahl herbeigeeilten Publikums.

Noch am Mittwochvormittag hatte der Club Rocker 33 über einen schwachen Vorverkauf geklagt. Martin Gretschmann und Console sind keine Unbekannten in Stuttgart. In schöner Regelmäßigkeit treten sie in den Clubs der Stadt auf oder auch mal in Schorndorf; jedes Mal bekommt man etwas anderes serviert. Vor fast genau fünf Jahren waren die Weilheimer schon einmal im Rocker33, spielten dort ein zähflüssiges Ambient-Set. An diesem Donnerstagabend ist ihnen mehr nach Tanzmusik zumute, vielleicht auch, weil ihr Auftritt direkt in eine Electro-Party übergeht.

New Wave oder Rave

Zu Beginn des Auftritts möchte man das zwar noch nicht vermuten: da sitzt Sängerin Miriam Osterrieder selig auf einer Kiste im hinteren Bühnenteil und plaudert mit den Mitmusikern, ehe Bandchef Martin Gretschmann zum Auftrittsbeginn ruft und sphärige Synthesizerflächen aus seinem Computer fließen lässt. Doch schon wenig später, zum heimlichen Hit des aktuellen Albums, „A Homeless Ghost“, hört man, was dieser Abend bringen soll: Das von Christoph Brandner bediente elektronische Schlagzeug klingt viel kompakter und geht viel mehr nach vorne als auf Platte.

„Don’t make me lose control“, singt Miriam Osterrieder noch, aber da ist es schon zu spät. Console probieren an diesem Abend Dinge aus, die im Liveformat entfernt an New Wave oder Rave erinnern, sich dann aber plötzlich und entgegen aller Konventionen in den breitesten Synthie-Flächen seit den Achtzigern brechen – nur um dann mit „Of time“ einen Popsong zu spielen, der dieser ersten Hochzeit elektronischer Popmusik bislang gefehlt hat.

"Für eine Weltpremiere"

Und so jubelt das Publikum – darunter auch viele, die in normalen Disconächten gewiss nicht im Rocker 33 zu finden sind – umso lauter, wenn Console zwischen ihren dichten Tracks mal eine kleine Lücke lassen. Vielleicht lässt sich Martin Gretschmann auch deshalb am Ende doch noch zu „Suck and Run“ erweichen.

Als die Zuhörer nicht aufhören, den Song aus dem Jahr 2002 zu fordern, kommen Console noch einmal auf die Bühne – „für eine Weltpremiere“, sagt Gretschmann, ehe er auf seinem Computer eine Taste drückt und die Originalaufnahme im völlig übersteuerten Vollplayback durch die Boxen rauscht. Console tanzen und performen dazu so ausgelassen auf der Bühne, wie sie es davor (zum Glück) nicht getan haben. Und dann ist auch das geschafft, der lückenlose Übergang in die Party und in den Freitagmorgen.