Der Aufruf von Winfried Kretschmann, auf Partys zu verzichten, stößt im Stuttgarter Nachtleben auf Zustimmung. „Es gibt keine Alternative“, sagt ein Wirt, „sonst ist die Gefahr groß, dass die gesamte Gastronomie erneut schließen muss.“

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - Ist die Party nun vorbei? Wegen der ansteigenden Infektionszahlen ruft Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) dazu auf, aufs Feiern zu verzichten – sowohl daheim als auch in Gaststätten. Sein Appell stößt bei Protagonisten des Stuttgarter Nachtlebens auf Verständnis. Unsere Zeitung hat sich bei Veranstaltern, Wirten und Partybesuchern umgehört.

 

„Der Aufruf des Ministerpräsidenten macht Sinn“, sagt Hannah Japes, die Vorsitzende des Kollektives, des Interessenverbandes der Stuttgarter Clubs. Jetzt müsse es darum gehen, Ansteckungen zu verhindern, auch aus Interesse der Clubbetreiber. „Unsere Branche ist nach wie vor ohne Perspektive auf Öffnung“, sagt die Clubsprecherin, „und nur mit niedrigen Fallzahlen wird sich daran etwas ändern.“

„Es darf kein Nachteil entstehen für gewissenhafte Wirte“

Für Clubbetreiberinnen und -betreiber, die sich an die Corona-Regeln halten, sei es „frustrierend“, dass man bis zuletzt privat mit bis zu 100 Personen feiern durfte, „ohne sich an Abstandsregeln zu halten“. Dies ist nun, da Stuttgart zum Risikogebiet erklärt worden ist, nicht mehr erlaubt. Hannah Japes ist davon überzeugt, „dass im nicht-privaten Bereich mit größerer Sorgfalt auf Nachverfolgung, Abstand und Einhaltung der Maskenpflicht geachtet wird“. Sie hofft, dass Beschränkungen für private Feiern auch dazu führen, „dass sich alle Clubs und Kneipen wieder auf die Maßnahmen besinnen und somit kein Nachteil für gewissenhafte Wirte entsteht“.

Patrick Witz, der Chef der Cocktailbar Fou Fou in der Altstadt, die wegen eines Corona-Falls für zwei Tage geschlossen hatte, lobt Ministerpräsident Kretschmann: „Es ist eine sehr gute Idee, auf private Feiern zu verzichten und gleichzeitig auf die Sperrstunde zu verzichten. Denn in der Gastronomie sind zumindest theoretisch, die Kontrollmöglichkeiten besser.“ Auch Klaudia Kacijan, die Wirtin der Uhu-Bar in der Altstadt, bezeichnet Partyverzicht und Kretschmann Aufruf als „sinnvoll“.

„Gute Idee – aber ob es junge Leute endlich begreifen?“

Oliver Joos von der California Bounge am Börsenplatz unweit der Theo Heuss sagt: „Ich finde richtig, was Herr Kretschmann sagt, aber allein, es fehlt mir der Glaube, ob die jüngeren Leute das begreifen. Ich habe Respekt vor diesem Aufruf. Denn was ist die Alternative? Wenn die Gastronomie im zweiten Lockdown wieder geschlossen werden muss, haben wir gar nicht mehr, nicht mal mehr einen geselligen Abend in kleiner Runde. Ich möchte nicht noch mal für zwei Monate zumachen, und deshalb sollten wir uns mal zurückhalten.“

Auf Verständnis stößt der grüne Regierungschef auch bei Michael Stümpflen, dem Berater einer großen Stuttgarter Brauerei, der in der Vergangenheit häufig bei Partys der Stadt gesehen worden ist. „Man kann ja eine Zeitlang aufs Feiern verzichten“, findet er und appelliert: „Aber lasst bitte die Gastro offen!“

Barbetreiber klagt über „rücksichtslose Kollegen“

Auch Eric Bergmann von der Bar Jigger & Spoon, der seine eigene Hochzeit kürzlich mit nur 20 Personen gefeiert hat, unterstützt Winfried Kretschmann in der Partyfrage und plädiert für das „Kölner Modell“, wonach ein Alkoholverbot an öffentlichen Plätzen ab 21 Uhr gilt. Bergmann klagt über „rücksichtslose Kollegen“, von denen ihm seine Gäste berichten: „Denen scheint alles außer Umsatz egal zu sein, die ziehen Veranstaltungen durch, ohne Rücksicht auf die momentane Situation zu nehmen.“ Der Barchef hofft, „dass unseriöse Gastronomen den Vorstoß von Kretschmann als Warnschuss sehen und nicht als Freifahrtschein“.

„Herr Kretschmann kann in seinem Alter gut reden“

Bei unserer Umfrage nimmt einzig Laura Halding-Hoppenheit, die langjährige Chefin des Kings Clubs, den sie wieder geschlossen hat, eine andere Haltung ein. „Herr Kretschmann kann gut reden“, sagt sie, „er ist aus dem Alter raus, an dem man Partys macht.“ Den Jungen könne man das Fröhlichsein aber nicht verbieten. „Wir sollten nach Lösungen und Alternativen suchen, die sinnvoll sind“, meint die Wirtin. An Verbote würde sich viele nicht halten und stattdessen illegale Möglichkeiten suchen, sich doch zu treffen und zu feiern. Eine legale Lockerung bei Clubs sei besser, weil sie unter Kontrolle stattfände. Unkontrolliert werde sich das Virus weiter ausbreiten, fürchtet Laura Halding-Hoppenheit.