Mit dem nahenden Ende des Sommers bekommen Erreger von Atemwegserkrankungen wieder leichteres Spiel. Die Corona-Fallzahlen steigen schon jetzt. Ab 18. September ist auch der angepasste Coronaimpfstoff von Biontech in Arztpraxen verfügbar. Wir erklären, was all dies für den ersten Herbst nach der Pandemie bedeutet.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

An aktuelle Corona-Varianten angepasster Impfstoff von Biontech soll ab der Woche vom 18. September erstmals in Arztpraxen zu bekommen sein. Das hat das Bundesgesundheitsministerium am Mittwoch (6. September) bestätigt. Bestellungen dafür können Praxen nach Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung bis kommenden Dienstag (12. September) bei Apotheken einreichen.

 

Laut Ministerium bedeutet es einen erheblichen organisatorischen Mehraufwand, dass der Impfstoff nach wie vor nicht in Einzeldosen ausgeliefert werde, sondern in Fläschchen mit sechs Dosen. Es handelt sich um ein auf die Omikron-Sublinie XBB.1.5 angepasstes Präparat, das besser vor aktuell kursierenden Varianten schützen soll.

Wie sieht es mit der Grundimmunität aus?

Gesundheitsexperten sehen immer noch eine sehr breite Grundimmunität aus Impfungen und Infektionen in Deutschland. Das heißt aber nicht, dass man sich nicht mehr anstecken kann. Sondern, dass man als grundsätzlich gesunder Mensch in der Regel nicht so schwer erkrankt, dass man in eine Klinik oder gar auf die Intensivstation muss.

Seit einigen Wochen steigt laut Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin die Zahl der im Labor bestätigten Corona-Nachweise. Das Niveau ist sehr niedrig, aber auch kaum mehr direkt vergleichbar mit Werten aus der Pandemie, als viel häufiger getestet wurde. Für Experten ist klar, dass es eine hohe Dunkelziffer an Infizierten gibt.

Welche neuen Corona-Varianten sind bekannt?

Dass über Corona wieder häufiger gesprochen wird, liegt auch an Weiterentwicklungen im Erbgut von Sars-CoV-2. Entscheidend ist die Frage, ob womöglich doch noch mal eine Variante entsteht, die unser Immunsystem wieder richtig austricksen kann. „Bisher habe ich keine neue Variante gesehen, bei der ich Bauchschmerzen kriegen und zu besonderer Wachsamkeit mahnen würde“, sagt Carsten Watzl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie. Auch das RKI sieht bisher keine Hinweise auf eine höhere Krankheitsschwere.

EG.5/Eris

Covid-19 Mutation ERIS EG.5. Foto: Imago/Bielmayrfotografie

Vor allem zwei neue Abkömmlinge von Omikron sind gerade besonders im Blick. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stuft EG.5, auch Eris genannt, zu einer von nunmehr drei „Virusvarianten von Interesse“ hoch. Wegen des Wachstumsvorteils und Immunflucht-Eigenschaften könnte EG.5 laut WHO wieder für mehr Fälle sorgen und in einigen Ländern oder sogar weltweit dominant werden.

BA.2.86

Coronamodelle und Stempel mit BA.2.86. Foto: Imago/Sascha Steinach

Deutlich stärker mutiert ist die neue Variante BA.2.86. Die WHO stuft als eine von derzeit sieben „variants under monitoring“ ein. BA.2.86 weise im Vergleich zu den nächsten Verwandten knapp 30 Veränderungen im Spike-Protein auf, sagt der Spezialist für Corona-Varianten Richard Neher aus Basel. Bisher lägen erst wenige Sequenzen vor, jedoch aus verschiedenen Ländern. Das deute auf eine bereits weite Verbreitung hin. In Deutschland ist BA.2.86 laut RKI noch nicht nachgewiesen.

Omikron

Ampulle mit Impfstoff gegen Omikron-Variante B.1.1.529 Foto: Imago/Blickwinkel

Manche fühlen sich bei BA.2.86 an die Anfangszeit von Omikron erinnert. Omikron bedeutete einen großen Sprung in der Virusevolution und verbreitete sich extrem schnell weltweit. Doch das muss sich nicht wiederholen.

„Solche stark mutierten Virusvarianten werden sporadisch gemeldet, aber es handelt sich typischerweise um isolierte Beobachtungen, die sich nicht weiter ausbreiten“, betont Neher. Ob und wie schnell sich BA.2.86 ausbreite, bleibe noch abzuwarten.

Was könnte der Herbst bringen?

Prognosen über den Verlauf von Grippe- und auch Corona-Wellen sind derzeit kaum möglich. Viren entwickeln sich weiter. Der Zeitpunkt und das Ausmaß ihrer Zirkulation werden zudem von vielen verschiedenen Parametern beeinflusst, wie das RKI erklärt. Allerdings habe auch Corona bislang insbesondere im Herbst und Winter starke Erkrankungswellen verursacht. „Deshalb ist auch künftig mit einem Anstieg der Fallzahlen in diesen Jahreszeiten zu rechnen“, teilte das RKI mit.

„Wir werden weiter ein gewisses Auf und Ab erleben“, ist der Bremer Epidemiologe Hajo Zeeb überzeugt. Doch solange keine gänzlich andere Variante entstehe, sehe er keine neue pandemische Situation. „Aber wachsam müssen wir schon bleiben.“

Synzytial-Virus/RSV

Eine Intensivpflegerin hält auf der Kinder-Intensivstation des Olgahospitals des Klinkums Stuttgart den Fuß eines am Respiratorischen Synzytial-Virus (RS-Virus oder RSV) erkrankten Patienten, der beatmet wird, in der Hand. Foto: dpa/Marijan Murat

Was die Intensivstationen betrifft, so rechnet der Intensivmediziner Christian Karagiannidis in den kommenden Monaten „immer wieder mit einzelnen Fällen, vor allem bei immungeschwächten Patienten, allerdings in keinster Weise vergleichbar mit der Pandemie“. Im Vordergrund des Geschehens erwarte er vielmehr Grippe und bei Kindern das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV). Alle drei Atemwegserreger könnten zu Personalausfällen führen.

Atemwegserkrankungen durch das RS-Virus verlaufen meistens mild. Aber gerade bei kleinen Kindern und bei besonders anfälligen älteren Erwachsenen könne es auch einen schweren oder sogar tödlichen Verlauf geben.

Wer sollte sich wieder impfen lassen?

Ein Arzt zieht in einer Hausarztpraxis eine Spritze mit dem Corona-Impfstoff auf. Foto: dpa/Wolfgang Kumm

Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt nur noch bestimmten Gruppen Auffrischimpfungen, vorzugsweise im Herbst und ähnlich wie beim Grippeschutz. Dazu gehören etwa Menschen ab 60, Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen ab einem Alter von sechs Monaten, Pflege- und Gesundheitspersonal sowie Angehörige von Risikopatienten.

Mindestens zwölf Monate sollen in der Regel seit der letzten Impfung oder Infektion vergangen sein. Gesunden Erwachsenen unter 60 und Schwangeren wird dies nicht mehr empfohlen. Grundimmunisierung und Booster empfiehlt die Stiko auch nicht mehr für gesunde Säuglinge, Kinder und Jugendliche.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) kündigte kürzlich auf der Plattform X, früher Twitter, an, dass die angepassten Vakzine wahrscheinlich ab 18. September in den Praxen seien.

Watzl zufolge kann man auf die neuen Impfstoffe warten. Günstig wäre es in den Augen des Immunologen, wenn die Variante EG.5 vorherrschend bliebe, da das Spike-Protein dem von XBB.1.5 sehr ähnlich sei. Das ist die Variante, an die etwa der Pfizer/Biontech-Impfstoff angepasst wurde.

Was kann der Einzelne noch tun?

Sars Cov-19 Virus. Foto: Imago/Panthermedia

Es gibt immer noch Menschen, die auf Schutz angewiesen sind. Das RKI rät neben einem Impfschutz gemäß Stiko-Empfehlung:

• bei einer akuten Atemwegsinfektion drei bis fünf Tage zu Hause bleiben

• Kontakte möglichst reduzieren

• in die Armbeuge husten und niesen

• regelmäßig die Hände waschen

• „Besondere Vorsicht geboten ist bei einem Kontakt mit Personen, die durch einen schweren Verlauf von Atemwegsinfektionen gefährdet sind“, heißt es seitens des RKI.

• Für immungeschwächte Patienten seien neben Auffrischimpfungen auch Masken bei Corona-, Grippe- und RSV-Wellen und ein früher Therapiebeginn wichtig.

Wird Corona irgendwann verschwinden?

Ein leeres Bett steht in der Intensivstation einer Klinik im nordrhein-westfälischen Recklinghausen. Foto: dpa/Jonas Güttler

Immunologe Watzl gibt zu bedenken, dass Sars-CoV-2 nicht mehr verschwinde und dass Infektionen in der jetzigen Phase für Immungesunde ein Auffrischen der Immunität bedeuteten. „Würde man das Virus für mehrere Jahre auf ein ganz niedriges Niveau zurückdrängen, dann drohen am Ende wieder mehr schwere Erkrankungen, weil Menschen das Virus jahrelang nicht gesehen haben.“

Zu viel Schutz könne somit auch kontraproduktiv sein. Das Risiko von Langzeitfolgen sei zwar nicht verschwunden, Long Covid könne man auch nach einer zweiten Corona-Infektion bekommen. Aber man werde dahin kommen, dass das Risiko auf einem ähnlichen Niveau liege wie bei anderen Infektionskrankheiten.