Das renommierte Atos-Klaviertrio hat sein „Vienna Album“ via Crowdfunding im Internet finanziert. Ein Interview mit dem Pianisten Thomas Hoppe über den CD-Markt, emigrierte Künstler und Wiener Charme.

Lokales: Hans Jörg Wangner (hwe)

Berlin - Das Atos-Trio gehört zu den renommiertesten deutschen Kammermusikensembles. Seit 2003 machen Annette von Hehn (Violine), Stefan Heinemeyer (Violoncello) und Thomas Hoppe zusammen „sehr ernste Musik“ (so ihre Website). Nach einem French Album, einem Russian Album und einem Czech Album haben die drei Berliner jetzt ihr Vienna Album vorgelegt – finanziert per Crowdfunding. Ein Gespräch mit dem Pianisten Thomas Hoppe, Professor an der Folkwang Universität der Künste in Essen.

 

Herr Hoppe, Sie haben im Internet Unterstützer gesucht, die die Produktion Ihres „Vienna Albums“ finanzieren sollten. Wie kam es dazu?

Wir wollten es ganz einfach ausprobieren! Viele Freunde und Fans möchten gerne bei Projekten helfen, auch finanziell, trauen sich aber nicht, weil ihnen die Hilfe zu geringfügig vorkommt – dieses Gefühl kann man aber umgehen, indem man einfach eine CD vorbestellt und die Musiker dadurch mit dem quasi vorgestreckten Geld arbeiten können. Es ist einfach spannend, eine CD selbst zu produzieren: das Repertoire selbst auszuwählen, Saal mieten, Tonmeister und Produktion selbst zu bezahlen, Booklet zu erarbeiten.

Was sind die Vorteile?

Dadurch liegen alle Rechte bei uns, und wir können benutzen, verschenken, verkaufen, hochladen, wie wir wollen. Ich bin mir nicht sicher, ob das geneigte Publikum weiß, dass man heutzutage in den allermeisten Fällen viele Tausend Euro in die Produktion einer eigenen CD bei einem Label beisteuert, nach Fertigstellung seine eigene CD von diesem Label erwerben muss – und natürlich dann am Endprodukt keinerlei Rechte besitzt, also zum Beispiel nicht auf Youtube hochladen darf.

Ist das ein Modell mit Zukunft, auch für andere Musiker?

Es ist natürlich ein großes Stück Freiheit, eine Scheibe selbst zu produzieren; aber man muss auch sehen, dass viele Sachen mehr oder weniger auf der Strecke bleiben, so zum Beispiel Vermarktung, Rezensionen, allgemeine Verbreitung. Die eigenerstellte CD hat ja überhaupt kein Netzwerk im Hintergrund, und das alleine wird viele Musikerkollegen abschrecken, vor allem diejenigen, die Ruhm suchen oder gerade ihre Karrieren auf- oder umbauen. Da sind Labels viel besser aufgestellt, und können unter Umständen helfen.

Das Album enthält Werke von Erich Wolfgang Korngold, Ernst Krenek und Fritz Kreisler. Alle drei Komponisten sind in der Donaumonarchie geboren und in der Nazizeit nach Amerika emigriert. Ist Ihre Auswahl auch ein Statement in Zeiten der Flüchtlingsnot?

Sie werden lachen, nein! Natürlich lassen sich alle drei Komponisten vor diesem Hintergrund sehen, unter den dramatischsten und interessantesten Umständen – aber alle Stücke dieser CD sind lange vor jenen Zeiten entstanden, in welchen die Komponisten der Not und dem Tod im faschistischen Deutschland und Österreich entfliehen mussten, und spiegeln eher das facettenreiche, schillernde, zwischen Tradition und neugierigem Umbruch changierende Wien wider.

Gerade Korngold wird – eine direkte Folge seiner Emigration – immer noch als Hollywood-Komponist und damit als nicht vollwertig denunziert. Leisten Sie mit Ihrer Arbeit ein Stück Wiedergutmachung für ihn?

So hoffen wir natürlich, selbst wenn er unsere bescheidene Hilfe kaum brauchen wird: Seine Musik erlebt ja gerade einen wunderschönen Aufschwung, endlich! Sehen Sie, er hat ja nicht wie Hollywood geschrieben – sondern Hollywood wie er! Das Trio auf dieser CD entstand etwa 1910, in der Stummfilmzeit, klingt aber frappierend wie tollste säbelschwingende Freibeutermusik. Das heißt, Korngold klang immer nur wie er selbst! Ich glaube ganz einfach, es waren noch zu viele Nazis in den Chefetagen nach dem Krieg, und seine Musik – er vermisste seine Heimat so sehr! – wurde ganz einfach geschnitten, abgetan, Aufführungen verwehrt, Gelder nicht bewilligt und so weiter. Ähnliches ist ja mit der Musik anderer jüdischer Komponisten auch passiert. Es hat Jahrzehnte gedauert, bis die eingepaukte Meinung über den nicht ganz ernstzunehmenden, viel zu oberflächlichen, seichten Mendelssohn zu verschwinden begann.

Verglichen mit Beethoven, Schubert oder Brahms – alle drei Wiener auch beziehungsweise Wahlwiener – sind die drei Komponisten auf Ihrem Album längst nicht so bekannt. Was reizt Sie an der Auswahl?

Alle Stücke sind fantastisch, punkt eins. Punkt zwei, sie passen sehr gut zusammen. Sie unterstreichen sich gegenseitig, beleuchten einander, und sind doch so unterschiedlich! Korngolds Übermut, der Schwung, die gewagte Tonsprache! Kreneks Intimität, das persönliche, anfangs zarte, dann mit zunehmender Expressivität nach außen hin immer dissonantere, der Ausdruck tiefster Emotionen! Kreislers Charme, seine Eleganz – und der Ton! Verbunden sind alle diese Musikstücke durch diesen warmen Wiener Klang, dieser Schmelz in Klang und Timing, das ist schon unglaublich speziell und beeindruckend in der Wiener Musik.

Wie läuft die Programmauswahl im Ensemble ab? Harmonisch – oder doch eher herzhaft?

Ein berühmter Quartettgeiger (übrigens aus Wien) hat uns einmal den Rat gegeben: „Wenns berühmt sein wollt, seids nicht zu einfach!“ Das Atos Trio ist aber leider absolut unspektakulär in dieser Hinsicht; wir vertragen uns toll, Streit gibt es so gut wie nie, und bei der Programmauswahl macht einer einen Vorschlag, der nächste fügt hinzu, die dritte nimmt weg, dann etwas Nachdenken und wir finden eine gemeinsame Meinung. Nicht immer klappen alle Zusammenstellungen, wir probieren gerne aus, sind aber furchtbar gerne „Museumsdiener“ und werden des Spielens der großen Meisterwerke nicht müde!

Nochmals zurück Vienna Album: Das letzte Stück darauf – „Farewell to cucullain“, arrangiert von Fritz Kreisler – ist ja streng genommen nichts Wienerisches, sondern die inoffizielle irische Nationalhymne „A Londonderry Air“, auch bekannt als „Danny Boy“. Herzzerreißend . . .

. . . nicht wahr? Sicher als Melodie nicht wienerisch, aber dieser Charme, die harmonischen Wendungen am Schluss . . . ach, wissen S’: da geht einem doch das Herz auf!