Am Wochenende sind in Bielefeld sieben Negativpreise an Behörden und Unternehmen verliehen worden. Der Preis prangert Verstöße gegen den Datenschutz an.

Stuttgart - In Bielefeld sind am Wochenende sieben Preisträger aus Unternehmen und Behörden für besonders spitzfindige und kleingeistige sowie unverhältnismäßige und wiederholte Verletzungen des Datenschutzes von Bürgern und Internetnutzern mit dem Negativpreis Big Brother Award gewürdigt worden.

 

Der bekannte Spielehersteller Blizzard Entertainment etwa wurde für die Überwachungsfunktionen in seinen Online-Spielen wie World of Warcraft „geehrt“. So gut wie jeder Mausklick der Spieler wird protokolliert. Auf diese Weise lässt sich nachvollziehen, wie ein Spieler bestimmte Aufgabe löst. „Psychologen können daraus ablesen, wer eine militärische Laufbahn einschlagen könnte, wer in der Bankbonität herabgestuft werden sollte, wer über Führungsqualitäten verfügt, wer potenziell spielsüchtig oder wahrscheinlich arbeitslos ist“, glaubt Laudator Frans Valenta.

Ein wissenschaftlicher Mitarbeiter von Google hält ein Patent darauf, wie aus dem Verhalten in Chats, im Tauschhandel oder in Konfliktsituationen Rückschlüsse auf den Spieler gemacht werden können: Die Erkenntnisse darüber, ob ein Spieler ruhig oder aggressiv vorgeht und in welchem Maße er risikobereit ist, können dann für gezielte Werbung genutzt werden.

Zu den Überraschungen in diesem Jahr zählten Unternehmen wie der Tiefkühlkosthersteller Bofrost und die Getränkefirma Brita GmbH. Bofrost wertete die Daten auf einem Betriebsratscomputer aus und verwendete die Dateiinformationen eines Schreibens, um einem Betriebsratsmitglied zu kündigen. Dass Bofrost damit gegen geltendes Recht verstieß, bestätigte ein Arbeitsgericht. Auf einem Computer eines anderen Betriebsrats wurde ohne Zustimmung des Betriebsrats die Fernbedienungssoftware Ultra VNC installiert und erst nach gerichtlichem Vergleich zugesichert, dies in Zukunft zu unterlassen.

Das Produkt Schoolwater der Getränkefirma Brita erstaunte gleich in mehrerer Hinsicht: Es ist nicht nur der Versuch, das Allgemeingut Wasser zu kommerzialisieren und damit ausgerechnet in Schulen Geld zu verdienen, sondern zudem die Wasserausgabe mit einem in die Trinkflaschen eingebetteten Schnüffelchip zu kontrollieren. Laudator Padeluun sieht darin eine „kleingeistige Übertechnisierung“, die dazu führe, dass Kinder schon früh an Überwachungstechnik gewöhnt werden.

Negativauszeichnung zeigt nicht immer Wirkung

Die Organisatoren verbinden mit der Negativauszeichnung die Hoffnung, dass aus der Kritik gelernt und dass Ähnliches in Zukunft vermieden wird. Doch die wiederholte Auszeichnung des Bundesinnenministers zeigt, dass dies nicht wirklich gelingt. Rechtsanwalt Ralf Gössner kritisierte den amtierenden Innenminister Hans-Peter Friedrich in diesem Jahr dafür, dass er gleich in mehreren Projekten die verfassungsrechtliche Trennung zwischen Polizei und Geheimdiensten nicht wirklich beachtet.

Erwartungsgemäß wurde auch der sächsische Innenminister für die Funkzellenabfragen im Raum Dresden gerügt. Während einer Antinazidemonstration wurden die Telekommunikationsverbindungsdaten von 28 Funkzellen angefordert. Die Strafverfolger erhielten so Datensätze von mehr als 55 000 Anschlussinhabern, die später „in Strafverfahren auftauchten, für die man sicher keine Funkzellenabfrage genehmigt bekommen hätte“, sagt Jurymitglied Sönke Hilbrans. Zu den weiteren Preisträgern zählt die Firma Gamma International, die für Polizei und Geheimdienste die Abhörsoftware Finfisher herstellt, die sich über Sicherheitslücken von iTunes oder Skype auf Computer von Verdächtigen einschleusen lässt.

Auch ein Trend wurde in diesem Jahr gewürdigt: der Trend, persönliche Daten wie E-Mails, Adressbücher und Dokumente auf fremden Rechnern zu speichern. Alle Nutzer von Google- oder Yahoo-Diensten oder Plattformen wie Facebook speichern ihre Daten auf Servern, die der amerikanischen Jurisdiktion unterliegen. Jurymitglied Rena Tangens sieht darin eine „eklatante Verletzung des Grundrechts auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme“. Die meist amerikanischen Cloud-Anbieter seien nämlich laut Foreign Intelligence Surveillance Act verpflichtet, „US-Behörden Zugriff auf alle Daten in der Cloud zu geben, auch wenn sich die Rechnerparks auf europäischem Boden befinden“.