Die Kirchengemeinde in Stuttgart-Riedenberg hat sich auf den Weg gemacht, gleichgeschlechtliche Paare zu segnen. In puncto Gemeindebeteiligung dreht sie nun das große Rad.

Für viele verliebte Gläubige ist es das Erlebnis schlechthin, vor Gott zur Person ihrer Wahl Ja zu sagen. In der Evangelischen Landeskirche in Württemberg ist dies gleichgeschlechtlichen Paaren jedoch lang verwehrt worden. Erst im Frühjahr 2019 beschloss die Landessynode ein Gesetz, das öffentliche gottesdienstliche Segnungen von Frau und Frau beziehungsweise Mann und Mann in bis zu einem Viertel der rund 1300 Gemeinden zulässt. Seit 2020 ist das Gesetz in Kraft. Das Prozedere für die Kirchengemeinden ist allerdings langwierig.

 

Zunächst müssen sich Dreiviertelmehrheiten in den Pfarrämtern und in den Kirchengemeinderäten dafür aussprechen. Dann können die Gemeinden ihr Interesse beim Oberkirchenrat anmelden. Das dort zuständige Referat schreibt daraufhin die Gemeinden an, beantragt die sogenannte vertiefte Befassung und schickt nach deren Abschluss einen Antrag zur Änderung der örtlichen Gottesdienstordnung. Die Gemeinden leiten dies dann abschließend in die Wege.

Einen Fragebogen veröffentlicht

Auch die Kirchengemeinde Riedenberg hat sich auf den Weg gemacht, homosexuellen und diversen Personen den Segen gewähren zu dürfen, und befindet sich aktuell in der Beteiligungsphase. „Einen ersten Teil haben wir hinter uns“, erklärt die Pfarrerin Elisabeth Jooß. Im Gemeindebrief wurde ein anonymer Fragebogen veröffentlicht, 40 Rückmeldungen aus der Bevölkerung seien eingegangen. „Mehrheitlich positiv“ seien die gewesen.

Nun steht noch Teil zwei der Öffentlichkeitsbeteiligung an. Am Donnerstag, 12. Mai, ist im Gemeindezentrum um 19 Uhr ein Gesprächsabend zum Thema. Überschrift: „Herr, wir bitten: Komm und segne uns.“ Auf dem Podium sprechen Matthias Hestermann, Pfarrer und Prälaturbeauftragter für Homosexualität, Klaus-Peter Lüdke, Pfarrer in Altensteig und Buchautor, sowie Hans-Ulrich Winkler, Pfarrer in Plieningen-Birkach. Die Gemeinde dort hat das Prozedere schon durchlaufen, erklärt Elisabeth Jooß.

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Wie viele nehmen das Gesprächsangebot an?

Mit der öffentlichen Veranstaltung wird das große Rad gedreht. Die Bürgerbeteiligung sei in dem Prozess zwar durchaus vorgesehen, „aber die Form kann man selber wählen“. Der Gemeinde sei es wichtig, „eine Bandbreite von Meinungen wahrnehmen zu können“. Wie viele der etwa 2000 Gläubigen in Riedenberg das Gesprächsangebot annehmen werden, vermag Elisabeth Jooß indes nicht zu sagen. Sie hoffe auf eine rege Beteiligung und eine offene Diskussion. Man wolle nicht tendenziös vorgehen, sondern hören, was die Leute denken. Allerdings sagt sie auch: „Meine Befürchtung ist, dass die, die dafür sind, nicht kommen.“

Die Entscheidung, ob die Kirchengemeinde den Weg zur sogenannten Homo-Segnung weiterhin beschreiten wird, wird letztlich der Kirchengemeinderat treffen. Das soll voraussichtlich am 1. Juni passieren. Wo Elisabeth Jooß selbst steht, das hat sie bereits im vergangenen Herbst im Gespräch mit unserer Zeitung klargemacht. Es sei längst an der Zeit, sich in Richtung Homosexualität zu öffnen. „Ha ja“, sagte sie damals. Man lebe schließlich in der Großstadt, und Interessenten gebe es durchaus. „Ich kenne gleichgeschlechtliche Paare in der Gemeinde“, bekräftigt sie nun.