Debatte in Waiblingen Wie Vögel vor Windrädern geschützt werden

Wenn die Windräder nahe Winterbach stillstehen, kann das mit dem Schutz von Fledermäusen zusammenhängen. Foto: Gottfried Stoppel

Intelligente Systeme sollen dazu beitragen, den Konflikt zwischen Windkraft und Vogelschutz zu entschärfen. So helfen etwa sogenannte Horchboxen, dass Fledermäuse nicht von Rotoren erfasst werden.

Wenn oberhalb von Winterbach Windräder abends stillstehen, kann das an Fledermäusen liegen. Dort ist, wie Bruno Lorinser vom Naturschutzbund Waiblingen (Nabu) bei einer Veranstaltung der Initiative „Waiblingen klimaneutral“ gesagt hat, eines jener Systeme installiert, mit denen versucht wird, den Konflikt zwischen Windkraft und Vogelschutz zu entschärfen. Mit speziellen Horchboxen wurden Daten über das Flugverhalten der Fledermäuse in Abhängigkeit von Temperaturen und Windverhältnissen gewonnen. Nun steuern Algorithmen die Windkraftanlage gestützt auf dem Wissen, dass nur etwa 20 Prozent der Flugbewegungen im Höhenbereich der Rotorblätter stattfinden.

 

Zwei Krisen „sind ziemlich krass“

„Die Biodiversitätskrise ist noch viel schlimmer als die Klimakrise“, sagte Lorinser, der bis zu seinem Ruhestand 2018 im Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden Württemberg für regenerative Energien zuständig war. Beide Krisen seien „ziemlich krass“, sagte Lorinser. „Und wenn wir beide nicht hinkriegen, war es das dann auch mit unserer Art.“ Er ging ausführlich auf Systeme zum Schutz windkraftempfindlicher Vogelarten wie Roter Milan, Schwarzstorch oder Wespenbussard ein. Diese Systeme seien mit Kosten von 100 000 bis 200 000 Euro zwar teuer, aber für größere Anlagen sehr wirksam: In Stötten oberhalb von Donzdorf (Kreis Göppingen) arbeitet etwa ein kameragestütztes System, das Rotmilane erkennt und zu fast 100 Prozent auf einem möglichen Kollisionskurs mit den Rotorblättern erfasst. Dann dreht das System die Rotorblätter aus dem Wind – und die Anlage stellt sich für kurze Zeit ab.

Lorinser hat vor den mehr als 50 Interessierten so etwas wie einen energie- und klimapolitischen Bezugsrahmen entwickelt. Deutschland sei aktuell der größte CO2-Emittent in der Europäischen Union und importiere etwa 70 Prozent seines Energieverbrauchs. Was das andernorts bedeute, zeigte Lorinser mit Fotos von Steinkohleabbau in Kolumbien, von Gasfracking in den USA und von Ölsänden in Kanada. Für ein Umsteuern in Richtung Klimaschutz und regenerativer Energien seien alle Technologien lange bekannt: „Zwei Drittel Solar und ein Drittel Wind“, so beschreibt Lorinser die Handlungsnotwendigkeiten aus seiner Sicht.

Leider seien Deutschland und auch Baden-Württemberg beim Ausbau der Windkraft „fußkrank“ geworden: Der Bruttozuwachs ging nach Angaben Lorinsers nach einem Plus in den Jahren 2016 und 2017 mit jeweils rund 5 Gigawatt Leistung von 2018 bis 2021 um mehr als die Hälfte zurück. Waren im Land 2016 und 2017 jeweils etwa 120 Anlagen neu in Betrieb gegangen, gab es 2020 nach einer Statistik der Fachagentur Windkraft an Land gerade zwölf Inbetriebnahmen mit 37,3 Megawatt Leistung. Wolle Baden-Württemberg seine klimapolitischen Ziele von einer CO2-Reduktion um 65 Prozent bis 2030 schaffen, müssten in den verbleibenden acht Jahren jedes Jahr rund 100 Anlagen installiert werden, sagte Lorinser.

Ein möglicher Windkraftstandort auf der Buocher Höhe zwischen Korb und Remshalden war bei der Veranstaltung zwar nur am Rand ein Thema, aber doch bei allen präsent: Seit klar ist, dass die Deutsche Flugsicherung (DFS) ihr Drehfunkfeuer bei Affalterbach im Kreis Ludwigsburg 2023 abschalten wird, ist einer der Haupteinwände gegen Windkraft im Wald der Stadt Waiblingen entfallen. „Unser Anliegen ist es, die emotionale Debatte, die ja schon wieder richtig aufflammt, mit Fakten auf ein sachliches Niveau zu bringen“, beschreibt Sabine Zeiner von „Waiblingen klimaneutral“ das Ziel der Initiative. Die Gemeinderätin Iris Förster (Grüne) mahnte, dass die Stadt jetzt alles vorbereiten müsse, um schnell handeln zu können, wenn das Drehfunkfeuer wirklich wegfällt.

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