Der Rutesheimer Schulleiter Jürgen Schwarz ist Verfechter von G 9. Der Leonberger Rektor Roman Peters hingegen leitet ein G-8-Gymnasium. Die Ansichten über den geeigneten Modus gehen weit auseinander.

Es ist am Anfang ein revolutionäres Modell gewesen. In Baden-Württemberg wurden im Jahr 1991 an vier Schulen so genannte Turbo-Klassen erprobt. Ausgewählte Schüler konnten das Abitur nach acht, statt bisher nach neun Jahren machen. Die damalige Kultusministerin Baden-Württembergs, Annette Schavan (CDU), führte G 8 dann im Jahr 2004 flächendeckend ein.

 

„Man wollte im internationalen Vergleich mithalten und junge Menschen früher ins Berufsleben einführen“, sagt Jürgen Schwarz, seit 2009 Schulleiter des Rutesheimer Gymnasiums. Im Schuljahr 2012/2013 wurde der erste Modellversuch mit 22 Gymnasien, die auch G 9 anbieten, gestartet – im Schuljahr 2013/2014 dann der zweite. Und hier hatte das Rutesheimer Gymnasium erfolgreich den Antrag gestellt und fährt seitdem zweigleisig. Rein theoretisch.

Die Nachfrage in Rutesheim ist groß

Denn die Nachfrage nach G 9 – aus dem gesamten Umkreis – ist so groß, dass die Schule gar keine Kapazitäten mehr hat, um G 8 anbieten zu können. „Wir haben pro Stufe sechs Klassen, aus Platzgründen können wir nicht mehr anbieten und können daher auch nicht allen Anfragen gerecht werden“, sagt Schwarz, der ein absoluter Verfechter des Abiturs nach 13 Schuljahren ist. Das gibt es in Rutesheim nun schon seit zehn Jahren. Und die Stadt als Schulträgerin hat erst kürzlich in Abstimmung mit der Schule die Fortführung des Modellversuchs, die bis zum Schuljahr 2028/2029 möglich sein soll, beantragt.

„Die Erfahrung von G 8 zeigt, dass Schülerinnen und Schüler, die das Abitur mit 16 oder 17 machen, nicht sofort, wie von der Politik erhofft, studieren oder ins Berufsleben einsteigen, sondern erst einmal für ein oder zwei Jahre eine Auszeit nehmen und ins Ausland reisen“, sagt Schwarz. Zudem hätten Studierende im Alter von 16 Jahren auch einige Hürden zu meistern, da sie noch nicht vertragsfähig seien. So dürften sie sich beispielsweise nicht selbst an der Universität einschreiben. Sowohl Universitäten als auch Betriebe seien nicht nur zufrieden mit den doch noch recht jungen Menschen. „Ich finde, die Schule ist nicht der schlechteste Ort, um die Persönlichkeit noch weiter zu stärken“, meint Jürgen Schwarz.

Mehr Zeit für den Lernstoff

Das Turbo-Abitur sei für intelligente Kinder absolut machbar, sagt der Rutesheimer Schulleiter. „Wenn sie ein gutes Selbstmanagement haben, finden sie auch noch Zeit für anderen Aktivitäten in ihrer Freizeit.“ Doch nicht alle Kinder und Jugendliche hätte die Fähigkeit, sich optimal zu organisieren oder bräuchten einfach mehr Zeit für den Lernstoff. „Das G 9 ist nicht einfacher als das G 8, allein es ermöglicht mehr Zeit, zu üben und den Stoff zu vertiefen. Wir dürfen die Allgemeinheit nicht vergessen, und G 8 ist nicht für alle Schülerinnen und Schüler geeignet“, sagt Schwarz. Bei G 9 fallen im Vergleich zu G 8 durchschnittlich eineinhalb Unterrichts-Nachmittage weg. „Davon profitieren ja auch Vereine und Organisationen.“ Die klagen in den vergangenen Jahre über einen Rückgang der Mitgliederzahlen.

Doch selbst wenn ein Gymnasium das Abitur in neun Jahren anbietet, sei das noch lange kein Selbstläufer, der die Schülerzahlen nach oben treibe. „Wir müssen schon überlegen, wie wir den Stoff sinnvoll verteilen und was ich sonst noch an Arbeitsgemeinschaften oder Aktivitäten anbieten kann“, so Schwarz. „Ein Gymnasium ist dann erfolgreich, wenn es die Schülerinnen und Schüler im Blick hat und wenn es in deren Sinne handelt“, sagt Jürgen Schwarz.

Arbeitsgruppen am Nachmittag

Dem würde Roman Peters, der Schulleiter des Johannes-Kepler-Gymnasiums in Leonberg, nicht widersprechen. „Ich bin Leiter eines G-8-Gymnasiums“, sagt er auf Anfrage unserer Zeitung, „und was wir sehen, ist, dass G 8 machbar ist.“ Beim Abitur liege seine Schule „immer 0,1 bis 0,2“ Noten besser als der baden-württembergische Durchschnitt. Peters räumt allerdings ein: „Die Schüler haben auf einem G-8-Gymnasium weniger Zeit, Hobbys und Aktivitäten im privaten Bereich nachzugehen.“ Anderseits versuche man, dies am Johannes-Kepler-Gymnasium durch ein „breites AG-Angebot“ nachmittags auszugleichen.

Natürlich seien die Abiturienten an einem G-8-Gymnasium jünger, sagt Peters, aber „natürlich findet auch an einem G-8-Gymnasium Persönlichkeitsbildung statt“. Und auch dieser Schulmodus sei mit Engagement in Vereinen vereinbar: „Ich kenne viele Schüler bei uns, die im Verein sehr aktiv sind.“ Auch um dies zu erleichtern, ende der Unterricht freitags etwas früher. Peters’ Ansicht nach sei G 8 nicht nur für Einser-Schüler geeignet: „Wir haben eine große Bandbreite an unserer Schule. Auch Schüler, die sich im mittleren Leistungsbereich befinden, kommen zum Abitur.“

G 8 sei politisch gewollt gewesen, sagt Roman Peters, es bestünde ja weiterhin die Möglichkeit, auf eine G-9-Schule zu gehen.