Der Waiblinger Dekan Timmo Hertneck begibt sich in den letzten Wochen vor seinem Ruhestand zu Fuß auf eine Reise durch jene Remstal-Gemeinden, für die er Verantwortung getragen hat. Wir haben ihn ein Stück begleitet.

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

Zum Start im Schelmenholz gibt es von dem Pfarrer der dortigen Christopherusgemeinde, Karl Braungart, für nahezu jedes Körperteil Gottes reichhaltigen Segen und dazu einen Schluck aus einer Jakobsmuschel. Heike Bosien, die geschäftsführende Pfarrerin der Gesamtkirchengemeinde Winnenden, hat das geschichtsträchtige Symbol der Pilger besorgt und etwas Tee in die mehr als zehn Zentimeter große, gerippte Schale gefüllt.

 

Zu Fuß durch die Kirchengemeinden

Heike Bosien ist an diesem Tag gewissermaßen die Wanderführerin von Timmo Hertneck. Der langjährige Dekan des Kirchenbezirks Waiblingen hat sich in den letzten Wochen vor seinem Ruhestand, der an diesem Sonntag mit der offiziellen Verabschiedung in der Waiblinger Michaelskirche offiziell eingeläutet wird, zu Fuß auf eine Reise durch jene Remstal-Gemeinden gemacht, für die er bis dato Verantwortung getragen hat. In der siebten und letzten Tagesetappe hat ihn Heike Bosien quer durch Winnenden nach Leutenbach bis zum abschließenden Abendgebet in Weiler zum Stein geführt.

Diesen Abschluss habe er sich ganz bewusst so gewünscht, sagt der großgewachsene, feingeistige Mann. Er wolle körperlich und geistig fit Abschied nehmen und mit Versöhntheit, wie er sagt, in den neuen Lebensabschnitt starten. Natürlich sei ihm durchaus ein wenig mulmig gewesen vor der Zäsur. Schließlich habe er seine Arbeit als Pfarrer und später als Dekan nicht nur als Job, sondern als Berufung empfunden, in der er sich 40 Jahre lang habe verwirklichen dürfen. Nun stehe ihm eine Art „berufsbiografischer Tod“ bevor.

Erinnerungen kommen auf

Beim Wandern durch die Gemeinde werden Erinnerungen wach. Also Memories, und wie man die ohne Stimme erklären kann, weiß Timmo Hertneck jetzt dank seiner Stippvisite in der Schule beim Jakobsweg. Der Chor des Berufskollegs Gebärdensprache hat es ihm mit dem gleichnamigen Lied der Gruppe Maroon 5 aufgezeigt: Daumen zwischen Zeige- und Mittelfinger und damit an den Kopf tippen.

Ein paar hundert Schritte weiter im Winnender Rems-Murr-Klinikum erinnert sich Hertneck mit Freude daran, wie er die dortige Kapelle und die Abschiedsräume mit einem Gottesdienst hat einweihen dürfen. Eine Errungenschaft, die alles andere als selbstverständlich sei, ebenso wie die dort gut funktionierende partnerschaftliche Ökumene der beiden Krankenhausseelsorger Annkatrin Jetter und Thomas Blazek, die er jetzt noch einmal gemeinsam trifft.

Nicht nur Sonnentage

Es seien schöne, manchmal auch überraschende Erlebnisse und Begegnungen, die ihm bei seiner Abschiedstour zuteil geworden seien, sagt Timmo Hertneck. Vom Ständchen des örtlichen Posaunenchors bis zum schon fast waghalsigen Aufstieg bis unters Dach der Stadtkirche, die gerade saniert wird, um sie für künftige Generationen zu erhalten. Er habe sich von vielen Menschen verabschieden können, die ihm und der Kirche wichtig seien. Auch wenn nicht alle auf der Einladungsliste für die offizielle Verabschiedung hätten stehen können.

Doch es hat nicht nur Sonnentage in seinen elf Jahren des Wirkens im Rems-Murr-Kreis gegeben, das wird Timmo Hertneck beim Abschiedspilgern nicht nur sinnbildlich vor Augen gehalten. Vier der sieben Tage seien zum Teil von heftigen Regenschauern begleitet gewesen.

Er habe den ihm anvertrauten Kirchengemeinden einige Zumutungen abverlangen müssen, räumt Timmo Hertneck ein, er habe sich damit sicherlich nicht nur Freunde gemacht. Zu seinem Amtsantritt als Dekan hatte es in seinem Kirchenbezirk noch 38 Pfarrstellen gegeben. Bis zum Jahr 2030 werden sie auf 24 Pfarrstellen zusammengeschrumpft sein. Timmo Hertneck drückt das vornehm aus: „Ja, ich habe viel mit Personalentwicklung zu tun gehabt.“

Zirkusdirektor, nicht Artist

Seine Rolle als Dekan ist eine andere gewesen als die des Pfarrers. Er vergleiche seinen Job gerne mit der eines Zirkusdirektors, sagt Timmo Hertneck: „Ich stehe schon mit in der Manege, bin aber kein Artist, sondern derjenige, der die anderen in Szene setzt.“

Damit soll von Sonntag an nun Schluss sein. Doch das bereitet ihn nun nicht keine Sorgen mehr. Er hätte seinen Abschied nicht besser erfinden können, sagt Timmo Hertneck und bedankt sich bei denen, die ihm diesen so trefflich organisiert haben.

„Ich fühle mich menschlich getragen und habe ein ganz starkes Bilanzgefühl“, sagt Timmo Hertneck. Die Spannung sei gelöst, die Balance gefunden. „Nun freue ich mich mich auf das, was da kommt.“

Der Kirchenbezirk Waiblingen

Dekanat
 Zum evangelischen Kirchenbezirk Waiblingen gehören etwa 62 000 Menschen. Er umfasst die Kirchengemeinden Beinstein, Berglen, Birkmannsweiler-Höfen-Baach, Bittenfeld, Endersbach, Fellbach, Großheppach, Hegnach, Hertmannsweiler/Bürg, Hohenacker, Kernen, Korb, Leutenbach, Neustadt, Schmiden-Oeffingen, Schwaikheim, Strümpfelbach, Waiblingen, Weiler zum Stein-Nellmersbach und Winnenden.

Verabschiedung
 Timmo Hertneck wird am Sonntag, 23. April, um 14.30 Uhr in der Michaelskirche verabschiedet.

Nachfolger
 Hertnecks Nachfolger ist Ulrich Erhardt. Der 58-Jährige war geschäftsführender Pfarrer der Gesamtkirchengemeinde Sontheim-Niederstotzingen.