Demenzkranke und ihre Angehörigen sind von vielen Lebensbereichen abgeschnitten. Seit mehr als drei Jahren versuchen Verbände und Vereine gegenzusteuern. Die Idee hat inzwischen in vielen Sport- und Freizeitgruppen Fuß gefasst.

Stuttgart - Mit demenzkranken Teilnehmern wandern? „Viele fragen sich, ob die nicht weglaufen oder aggressiv werden“, sagt Karin Kunz von der Sport- und Wanderakademie des Schwäbischen Albvereins. Doch Peter Wißmann vom Demenz-Support Stuttgart verfolgte sein Ziel hartnäckig: „Wir wollten die Menschen in Bewegung setzen, aber nicht in abgeschotteten Demenzsportgruppen, sondern in Angeboten, die allen offen stehen.“

 

Eines vorneweg: Das Projekt ist geglückt mit Hilfe kooperierender Sportvereine, dem Albverein, Verbänden und Sozialträgern der Altenhilfe. Alles begann mit einer ersten Wanderung im März 2014 in Stuttgart. „Unsere Wanderführer haben schnell gemerkt, dass es kein einheitliches Verhaltensmuster bei Dementen gibt“, sagt Karin Kunz. Und man erkannte, dass ein Wanderführer nicht alles gleichzeitig schafft: Demente zum Treffpunkt bringen, betreuen, heimbringen und die Wanderung gut organisieren. „Deshalb haben wir Wanderbegleiter geschult und mitgenommen“, sagt Karin Kunz. Den Start haben Spender und die Sparda-Bank finanziell unterstützt.

Auf eigenen Füßen

Drei Jahre lang gab es zudem Fördermittel vom Bundesfamilienministerium, der Gradmann-Stiftung und der Robert-Bosch-Stiftung. Jetzt steht das Projekt auf eigenen Füßen, und die Saat ist auch an anderen Orten aufgegangen: „An elf Standorten gibt es Wanderangebote, fünf weitere Gruppen sind am Start“, so Wißmann.

Für manche Ältere mit kognitiven oder körperlichen Einschränkungen sind solche Touren zu lang. Ilona Gloning, Leiterin der Begegnungsstätte der Arbeiterwohlfahrt (AWO) am Ostendplatz, berichtet, dass der Anteil der Rollatornutzer dort steigt. „Meistens ist der Rollator aber nicht richtig eingestellt, selten hat jemand mit den Leuten das Fahren geübt“, sagt sie. In Kooperation mit einem Sanitätshaus und der Verkehrserziehung der Polizei fand ein Training statt. Mit Unterstützung des Demenz-Supports entstand schließlich ein wöchentlicher geführter Stadtteilspaziergang, der inzwischen im Stuttgarter Westen, in Hedelfingen und in Botnang Nachahmer gefunden hat.

Alle Sportarten einbinden

Der Württembergische Landessportbund (WLSB) bildet seit 15 Jahren Übungsleiter für Ältere aus. Die Bereitschaft der Vereine, sich auf die Inklusion von Dementen einzulassen, sei groß: „Zwei Fortbildungen für Vereinsmitglieder und Freiwillige waren schon ausgebucht“, sagt Geschäftsbereichsleiter Stefan Anderer. Er vertritt den Standpunkt, dass man nicht eine Sportart zum Inselsport für Demente machen sollte. Deshalb spreche man alle Sportarten auf die Herausforderung an. Mittlerweile habe der Schwäbische Turnerbund mit dem Deutschen Roten Kreuz ein Projekt initiiert, der Radsportverband und der Sportkreis Stuttgart beteiligten sich. Peter Wißmann ist nach drei Projektjahren zuversichtlich. „Das Thema greift um sich.“ Seine Kollegin Gabi Kreutzner ergänzt: „Wir holen Betroffene in die Gesellschaft hinein.“ Damit ist das Projektziel im Grunde erreicht.