Neulich konnte ich zweieinhalb Wochen am Stück nicht in den Garten gehen, und ich habe schon geahnt, wie es dort aussehen würde. Ich habe das Unkraut inzwischen wieder großflächig entfernt, ich habe mich aber gefragt, ob es eine Alternative dazu gegeben hätte?
Sprechen Sie von einem Ziergarten oder von einem Gemüsegarten?
Einem Gemüsegarten.
Deshalb bleiben ja viele Gärtner in der Vegetationszeit auch daheim und fahren nicht in den Urlaub. Wenn man immer dranbleibt, hat man natürlich die besten Voraussetzungen, den Garten unkrautfrei zu halten beziehungsweise eine Selektion vorzunehmen. Die sogenannten Beikräuter, die dienlich sind, zu lassen, und andere eben rauszunehmen und anschließend zum Beispiel in der Küche zu verwenden. Viele der Beikräuter sind essbar und sehr schmackhaft. Eine weitere Möglichkeit wäre zum Beispiel, zu mulchen.
Also das Unkraut herausziehen und liegen lassen?
Das ist eine Möglichkeit, oder im Vorhinein schon gemulcht zu haben, was das Unkraut auch bis zu einem gewissen Grad im Wachstum hemmt, sodass ein einmaliges Jäten oft ausreicht. Die Rotte des Mulchs baut zudem Humus auf und füttert das Bodenleben.
Das heißt aber, dass selbst ein nachhaltiger Gärtner nicht mit Unkraut koexistiert?
Es gibt unterschiedliche Arten von Unkraut. Mit der Vogelmiere zum Beispiel kann ich wunderbar koexistieren, die stört mich überhaupt nicht. Die ist dienlich, sie kann den Boden bedecken, die kann man wie eine Mulchpflanze nützen, die geht auch nicht groß in Konkurrenz, sie wurzelt nicht tief, das bedeutet, ich kann sie ganz leicht wieder rausnehmen, oder ich hacke sie und lasse sie liegen. Es gibt aber natürlich auch andere Kaliber, Wurzelunkräuter zum Beispiel, da muss ich frühzeitig hinterher sein, weil die sich sehr stark ausbreiten und dann auch meine Kulturen stark beeinträchtigen. Man darf nicht vergessen: Garten ist Kulturland, das ist Pflege. Generell zu sagen, ich lasse das wachsen oder lasse es gar aussamen, das kann auch nach hinten losgehen. Man muss im Garten immer aufmerksam bleiben.
Das ist ja letztlich die Frage: Schadet das Unkraut meinem Gemüse?
Nicht alle Unkräuter schaden dem Gemüse. Es ist komplexer, ich muss meine Unkräuter, ich muss meine Pflanzen genau kennen, auch meine Kulturen. Einen Kohl kriegt man nicht so schnell unter, aber feinere Gemüsearten wie Möhren muss man schon mehr unkrautfrei halten, weil sie, einfach gesprochen, sensibler sind. Möhrensaaten keimen langsam und können leicht überwuchert werden. Was auch gut gegen Unkraut hilft, ist Hacken. Gehen Sie dabei auf Augenhöhe und machen sich mit den Pflanzen und dem Boden in Ruhe vertraut.
Wenn das Gemüse noch klein oder noch gar nicht gekeimt ist, ist Hacken doch sehr schwierig. Ich will ja nichts beschädigen.
Ja, das ist halt die Kunst. Die Unkräuter wachsen ja stärker und schneller als das Kulturgemüse. Und da muss ich schon die Bahn freihalten, dass meine Setzlinge und meine Ansaaten überhaupt eine Startchance bekommen. Spätestens nach zwei Wochen nach der Aussaat gehe ich mit der Hacke durch. Wenn die Gemüsepflanzen herangewachsen sind, sind sie toleranter, weil sie dann stark genug sind, sich durchzusetzen.
Gibt es ein Unkraut, das in Ihrem Garten keine Chance hat?
Zum Beispiel die Distelarten, dann aber auch der Ampfer oder Winden. Winden schaffen es, die Kulturpflanzen zu ersticken oder sie wie zuzunähen. Und dann der Knöterich, der auch ganz (aggressiv) invasiv werden kann. Und den Giersch, den würde ich auch im Zaum halten und lieber zu Spinat und Pesto verarbeiten.
Was ist bei Disteln das Problem?
Die Vermehrung über Wurzelausläufer, die sich bei Beschädigung verzweigen und ab dem dritten Standjahr über eine enorme Samenproduktion verfügen. Sämlinge am besten gleich vorsichtig und großzügig ausgraben. Gerade Wildarten sind sehr, sehr vital. Die Kulturpflanzen, die sind ja alle selektiert, über viele Jahre, die sind da einfach in einem Nachteil.
Gibt es auch etwas, von dem Sie sagen, das wird oft als Unkraut verkannt?
Die Vogelmiere, würde ich sagen, sie blüht fast das ganze Jahr, die hat viele Mineralstoffe, sie ist essbar, schmeckt in Salat und als Tee und hat viel Vitamin C. Und sie ist Leibspeise von Vögeln, vor allem die Samen sind sehr begehrt. Oder die Kamille, eine beliebte Bienenfutterpflanze, die taucht immer dann auf, wenn der Boden in Unordnung geraten ist. Wenn er zum Beispiel maschinell stark bewegt wurde. Und die Kamille ist ja ein Heilkraut in der Hausapotheke, aber auch für Böden. Sie taucht temporär vielleicht stark auf, aber geht auch wieder. Ich kann es nur noch einmal sagen: Es ist wichtig, sich mit seinen Beikräutern anzufreunden, sie kennen- und unterscheiden zu lernen, sie blühen zu lassen und zu beobachten, welche Wildtiere zu Besuch kommen, um dann in Zukunft zu entscheiden, wer wie lange bleiben darf.
Zur Person
Beruf
Sandra Schöpf ist 53 Jahre alt, beruflich plant sie ökologische Gärten. So hat sie die fachliche Leitung für die Pflege der Parkanlagen am Nikolaus-Cusanus-Haus in Stuttgart-Birkach. Zudem ist sie Hausgartenberaterin und Referentin bei Demeter Baden-Württemberg mit Sitz in Leinfelden-Echterdingen.
Ausbildung
In Stuttgart-Hohenheim hat sie sich zur Landschaftsgärtnerin ausbilden lassen. Zwei Jahre verbrachte Schöpf auf einem Selbstversorgerhof in den Cevennen. Sie hat sich zudem weitergebildet zur staatlich geprüften Technikerin im Garten- und Landschaftsbau. ana