Nicht nur die Opposition im Bundestag, auch die SPD kritisiert jetzt das Kanzleramt wegen der Spionageaffäre, bei der der Bundesnachrichtendienst dem US-Geheimdienst NSA beim Ausspähen von Europäern geholfen haben soll.

Berlin - Die Spionageaffäre um den deutschen Auslandsgeheimdienst BND bringt die Bundesregierung immer stärker in Erklärungsnot. Nach der Opposition verstärkt auch die SPD den Druck auf das Kanzleramt. Die SPD attackiert die Regierungszentrale direkt. „Die Aufsicht des Kanzleramts über den BND scheint kläglich versagt zu haben“, sagte die SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi der „Passauer Neuen Presse“. Der Koalitionspartner zeigt sich angesichts der vielen offenen Fragen ungeduldig. „Das Kanzleramt, das seit zehn Jahren von der CDU geführt wird, trägt die Verantwortung dafür, dass sich der deutsche Geheimdienst ordentlich verhält“, sagte Fahimi.

 

Auf die Frage nach Vorwürfen an Innenminister Thomas de Maizière (CDU), dem vorgeworfen wird, eine parlamentarische Anfrage zur NSA-Spionage falsch beantwortet zu haben, sagte Fahimi: „Natürlich gibt es kritische Fragen, auch an ihn.“ Die SPD-Generalsekretärin wies aber darauf hin, dass einige Antworten auf die parlamentarische Anfrage auch im Kanzleramt formuliert worden seien. Sie schließt personelle Konsequenzen nicht aus. Am vergangenen Wochenende hatte SPD-Chef Sigmar Gabriel gefordert, dem Eigenleben des BND müsse ein Ende gesetzt werden.

Auch Österreich als Ziel

Die Spionageaffäre um den BND und den US-Geheimdienst NSA könnte die Bundesregierung auch gegenüber den europäischen Partnern in Schwierigkeiten bringen. Nach Berichten von „Süddeutscher Zeitung“, NDR und WDR nutzte die NSA die Abhörstation des BND im bayerischen Bad Aibling zum Ausspähen hochrangiger Beamter des französischen Außenministeriums, des Präsidentenpalastes in Paris und der EU-Kommission in Brüssel. Auch Österreich soll das Ziel von Abhörangriffen gewesen sein.

Bei einer Überprüfung von Suchbegriffen der Amerikaner für die Kommunikationsüberwachung in seiner Abhörstation im bayerischen Bad Aibling habe der BND nach Bestandteilen wie „gov“, „diplo“ und „Bundesamt“ gesucht, berichtet die „Bild am Sonntag“. Dabei habe es 12 000 Treffer gegeben, wie aus einer internen E-Mail des BND vom 14. August 2013 hervorgehe. Der BND soll die Begriffe daraufhin aus der aktiven Suche herausgenommen haben. Mailadressen mit dem Bestandteil „Bundesamt“ richteten sich gegen Österreich, hieß es weiter. Er tauchte demnach in mehr als zehn Anfragen der NSA auf.

Erst auf Nachhaken

Vor einer Woche waren erste Vorwürfe ans Licht gekommen, wonach der BND der NSA über Jahre half, europäische Unternehmen und Politiker auszuforschen. Die NSA lieferte dem BND demnach für die Überwachung des Datenverkehrs viele Suchmerkmale zu Zielen in Europa, wie etwa Telefonnummern oder IP-Adressen von Computern. Der BND informierte das Kanzleramt bereits vor Jahren über unzulässige Spähversuche der Amerikaner. Doch erst als der NSA-Untersuchungsausschuss nachhakte, stellte die Regierung intensivere Nachforschungen an. Sie weiß nach eigenen Angaben erst seit März detaillierter Bescheid. Das genaue Ausmaß der Affäre ist noch unklar.

Offen ist, in welchem Umfang auch europäische Unternehmen von den geheimdienstlichen Aktionen betroffen waren. Nach Medienberichten soll es im Kern um eine politische Ausspähung von europäischen Nachbarn und von EU-Institutionen gegangen sein. Unter den Zielen aus der Wirtschaft soll aber auch der frühere EADS-Konzern, der heute Airbus heißt, gewesen sein. Der Bundesregierung schlägt deswegen auch Kritik aus der deutschen Wirtschaft entgegen. „Das Verhältnis zwischen Staat und Industrie ist erheblich belastet“, sagte der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Ulrich Grillo. Die Bundesregierung müsse die Vorwürfe lückenlos aufklären, forderte er. „Der BDI erwartet, dass die ausgespähten Unternehmen unverzüglich darüber informiert werden, ob und welche Daten wann an die US-Dienste weitergegeben wurden.“

Aufklärung gefordert

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker verlangt Aufklärung: „Das muss von den deutschen Behörden, auch den parlamentarischen, geklärt werden.“ Die Linke forderte eine Regierungserklärung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Linksfraktionsvize Jan Korte sagte, Merkel müsse erklären, ob und wie sie die deutsch-französische Freundschaft erhalten wolle und was sie gegen die Ausspähung zu tun gedenke. Der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele sagte, viel peinlicher könne es für das Kanzleramt und Merkel kaum mehr werden. Das Bundestags-Gremium zur Kontrolle der Geheimdienste will am Mittwoch über die Affäre beraten.