Reportage: Frank Buchmeier (buc)
Können Sie mit dieser Offenheit jeden Seckenheimer für sich gewinnen?
Es gibt Einzelne, die sich über das Heim mokieren. Denen sage ich: Unsere Kinder sind auch eure Kinder. Und wir sind nicht das Problem, sondern ein Teil der Lösung.
Ein Wohngruppenplatz kostet monatlich 4500 Euro. Ist das Geld effektiv eingesetzt?
Diese Frage ist legitim, weil die stationäre Heimerziehung ja leider häufig keine langfristigen Erfolge hat. Es gibt Eltern, die ich vor 30 Jahren betreut habe, als sie noch Kinder waren, und deren Kinder heute auch wieder im Heim sind.
Was kann man unternehmen, damit dieser Kreislauf durchbrochen wird?
Wir müssen früher, häufiger und direkter in die Familien. Deswegen wurde ja auch die Familienhilfe geschaffen, die den Eltern und Kindern zur Seite steht, sobald es Auffälligkeiten gibt. Ich bin ein großer Freund von solchen präventiven Maßnahmen. Am besten sollte man sie schon ergreifen, bevor das Kind auf der Welt ist: Von mancher schwangeren Frau weiß man ja, dass sie mit der Mutterrolle überfordert sein wird. Wenn sie rechtzeitig Unterstützung bekommt, stehen die Chancen gut, dass ihr Kind niemals in einem Heim landen wird. Jeder Euro, der in die Familienhilfe investiert wird, zahlt sich später aus. Es braucht aber noch etwa eine Dekade, bis wir die Wirkung tatsächlich spüren.
Warum sind Sie Heimerzieher geworden?
Als ich 14 war, haben sich meine Eltern scheiden lassen. Danach verlief meine Jugend chaotisch, und ich war ziemlich früh auf mich allein gestellt. Als junger Kerl habe ich einiges angestellt, auch Grenzwertiges. In dieser Phase habe ich aber eine Empathie für Menschen entwickelt, die es nicht leicht im Leben haben.
Wie haben Sie damals die Kurve gekriegt?
Ein Psychologe würde mir vermutlich eine gewisse Resilienz attestieren. Meine Berufserfahrung zeigt mir, dass es Kinder gibt, die die Fähigkeit besitzen, Krisen mehr oder weniger alleine zu bewältigen, und andere, die diese Fähigkeit nicht besitzen. Vielleicht habe ich die Resilienz von meiner Oma geerbt, sie war der willensstärkste Mensch, der mir je begegnet ist.