So wie er lebt, spielt Max Kruse auch Fußball: nach seinen eigenen Gesetzen. Die Bundesliga-Kolumne von Peter Stolterfoht.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Peter Stolterfoht (sto)

Bremen - Gut möglich, dass Max Kruse an diesem Dienstag wieder seinen Mustang sattelt und nach Hamburg reitet. So wie letzten Dienstag, als „Mad Max“ sich mit Freunden in einem Saloon zum Pokern traf. Ein Foto von der hoch konzentrierten Runde war daraufhin in der „Bild“-Zeitung zu sehen. Fast etwas enttäuscht vermeldete das Blatt, dass nur Mineralwasser auf dem Tisch stand. Eine Flasche Whiskey hätte nachrichtlich deutlich mehr hergegeben.

 

Das ändert aber nichts daran: Max Kruse ist der Cowboy der Fußball-Bundesliga. Ein Pferd besitzt er zwar auch nicht, dafür aber 700 Pferdestärken. So viel hat sein Ford Mustang Shelby 500 unter der Motorhaube, dem er regelmäßig Auslauf gönnen muss. Schließlich soll es sich dabei um das einzige Exemplar seiner Art handeln, das in Deutschland eine Straßenzulassung bekommen hat.

Autos und Poker, das sind die großen Leidenschaften von Max Kruse. Bei Werder Bremen hat man nichts dagegen. Dort weiß man: der Typ braucht das. Und der dankt es dem Verein in dieser Saison mit absoluten Topleistungen. Auch aktuell beim 2:1-Heimsieg gegen Freiburg war Kruse voll auf der Höhe und steuerte mal wieder eine Vorlage bei. Damit ist Max Kruse an elf der letzten 15 Bremer Treffer direkt beteiligt gewesen, was heißt: er hat das Tor entweder selbst erzielt oder die Vorlage gegeben.

Die Effizienz des Kapitäns hat dazu geführt, dass Werder Bremen die einzige Mannschaft in den europäischen Topligen ist, die im Jahr 2019 in all ihren Pflichtspielen noch ohne Niederlage dasteht. Die Teilnahme an der Europa League ist für Werder deshalb fünf Spieltage vor Saisonende zum Greifen nah.

Die Kruse-Welt ist nicht kompatibel mit der Löw-Welt

Der 31-Jährige ist zurzeit gemeinsam mit dem Dortmunder Marco Reus die beste hängende Spitze der Liga. Weil Max Kruse auch im Beruf ein Zocker ist, bei dem der Gegenspieler nie weiß, was kommt: der Pass oder der eigene Torabschluss. Seine technischen Fähigkeiten und das ausgeprägte Spielverständnis eröffnen ihm deutlich mehr Optionen als fast allen anderen Bundesligaprofis.

Und trotzdem ist ihm eine große Karriere in der Nationalmannschaft verwehrt geblieben. Gerade einmal auf 14 Länderspiele und vier Tore hat er es zwischen 2013 und 2015 gebracht. Und es wäre eine echte Überraschung, wenn noch weitere Berufungen in die DFB-Auswahl hinzukommen würden. Was mit Joachim Löw zu tun hat. Dem Bundestrainer sind eigenwillige Charaktere mit abenteuerlichen Anwandlungen ein Graus. Mit komplettem Unverständnis nahm Löw 2015 zur Kenntnis, dass Kruse seinen Rucksack in einem Berliner Taxi liegen ließ. Darin verstaut war das Ergebnis einer erfolgreichen Pokernacht: 75 000 Euro in bar. Die blieben am Ende verschwunden. Vermutlich machte sich der vernünftige Trainer darüber deutlich länger Gedanken als der unvernünftige Spieler, der dann auch kurze Zeit später in einem Club auffällig wurde, als ihn eine Boulevard-Fotografin während seiner Geburtsfeier ins Visier nahm. Das alles ist nicht kompatibel mit dem streng durchorganisierten Löw-Kosmos. Kruses Leben dagegen ist wild. Wild West eben.

Nach der Karriere will der Bremer Cowboy dann auch in Amerika leben. Dorthin ist vor Jahren seine ehemalige Lebensgefährtin mit dem gemeinsamen Sohn ausgewandert. Den will er in seiner Nähe haben. Dann kann er gemeinsam mit ihm auf einem echten Pferd dem Sonnenuntergang entgegenreiten. Das bedeutet Freiheit, und die muss man den Bremer Cowboy offensichtlich lassen.

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