Herr Braun, haben Sie sich von den Strapazen einer langen Saison erholt?
Na ja, körperlich wird das erst in zwei, drei Wochen so weit sein, mental bin ich gerade dabei, das alles sacken zu lassen. Um den Erfolg richtig wahrnehmen zu können, braucht es noch ein paar Tage. Wir haben den Nichtabstieg klargemacht und damit das Saisonziel komplett erfüllt – aber es waren auch die Pre-Play-offs möglich, und ich als Sportler möchte immer das Bestmögliche erreichen, aber leider hat uns da der Spielplan einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Der Saisonendspurt war eng getaktet.
Wir hatten bis Sonntag in Berlin elf Spiele in 19 Tagen, das ist körperlich sehr zehrend. Wir mussten in dieser Saison in jedem Spiel an die Schmerzgrenze gehen, um eine Chance zu haben und drinzubleiben. Ich habe auch den Jungs in der Kabine gesagt, dass ich mich nicht an eine Saison erinnern kann, die so viel Kraft gekostet hat – auch weil wir drei Coronaquarantänen hatten, wo du dich nach diesen Zwangspausen wieder körperlich und mental neu fokussieren musst.
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Um das Team aus solchen Tälern zu führen, dafür wurden Sie auch verpflichtet, als ein rundum erfahrener Profi.
Es war wichtig für die Jungs, einen in der Kabine zu haben, der immer positiv war – eine meiner größten Aufgaben war, den Jungs zu demonstrieren, dass wir in der Lage sind, in der DEL zu bleiben, sie zu motivieren und stets etwas Positives auszustrahlen.
Dazu muss man auch der Typ sein.
Wer meinen Werdegang verfolgt hat, der weiß, dass ich eine Kämpfermentalität habe und dass Aufgeben für mich keine Option ist. Sonst würde ich jetzt nicht mit Ihnen telefonieren, sondern hätte vor vier Jahren meinen Schläger an den Nagel gehängt.
Sie waren alkoholabhängig und haben sich 2018 in Therapie begeben – Sie haben sich wieder herausgekämpft.
Eine Kämpfernatur bin ich schon immer. Was ich in der Therapie gelernt habe: Mein Leben als Eishockeyprofi richtig zu genießen; dass ich mein Geld damit verdiene, etwas zu tun, was ich sehr liebe. Genau das habe ich den Jungs gesagt: Männer, wir haben hier eine Riesenchance in dieser Saison, einige werden vielleicht nie mehr die Chance haben, in Berlin vor 10 000 Leuten zu spielen. Saugt das alles auf und macht es zu eurer Geschichte. Wir können uns in Bietigheim irgendwie unsterblich machen als die Mannschaft, die nach dem Aufstieg in der DEL geblieben ist.
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Haben Sie Ihre Suchtvergangenheit in der Kabine denn thematisiert?
Die deutschen Jungs wussten Bescheid, die Kanadier haben spätestens nach dem dritten Essen gefragt, warum ich nichts trinke – dann habe ich gesagt, ich sei Alkoholiker, und habe ihnen meine Geschichte erzählt. Dann war das okay. Wenn mich jemand dazu fragt, dann antworte ich. Das ist kein Ding.
Hat das Ihre exponierte Rolle als Führungsspieler verstärkt, weil die Spieler deshalb noch mehr Respekt bekamen?
Ich glaube nicht, dass die Jungs mich deshalb zum Kapitän gewählt haben. Die haben das wegen meiner sportlichen Erfolge getan. Aber ich denke schon, dass die Jungs das honoriert haben, wie ich damit umgegangen bin und wie ich da wieder rauskam – und ich jetzt in jedem Spiel meinen Mann stehe. Ich denke, das ist das Gesamtpaket.
Wie sehr waren Sie gefordert, als es eine Niederlagenserie von neun Spielen gab?
Die Jungs waren total frustriert, da musste ich schauen, dass sie so gut wie möglich die Stange halten. Ich musste viel Aufbauarbeit leisten. Ich habe sie immer wieder drauf hingewiesen, dass es oft sehr enge Spiele waren, die wir erst kurz vor Schluss verloren haben. Ich habe immer wieder betont, dass nicht alles schlecht war und wir im November noch viel Eishockey vor uns haben. Auch im Training habe ich viel mit den Jungs geredet.
Es gab vor allem in diesem Jahr dann Partien, die die Steelers nach einem 0:3 oder gar 0:4 noch umgebogen haben.
Wir haben viele Spiele nach Rückständen gewonnen – das waren genau die Beispiele, die ich brauchte, um den Jungs klarzumachen, was möglich ist. Wir haben alle großen Teams mindestens einmal geschlagen, München, Berlin, Mannheim – und das als Aufsteiger, den keiner auf dem Zettel hatte. Dass die Saison für mich so läuft, durfte ich nicht unbedingt erwarten. Ich war stolz, dass ich zum Spielführer gewählt wurde und wir in der Liga geblieben sind. Dass wir die Pre-Play-offs verpasst haben, hinterlässt leider einen kleinen bittersüßen Beigeschmack. Das wäre noch mal geiler gewesen.
Sie haben schon Geschichte geschrieben für die Steelers mit dem ersten DEL-Tor. Folgt noch eine zweite Saison?
Ich war ausgeliehen und stehe ab 1. Mai wieder bei den Eisbären Berlin unter Vertrag, natürlich gab es schon erste Gespräche mit den Steelers. Ich bin offen für alles.