Droht in Deutschland ein Sicherheits-Vakuum? Nach Meinung der Geheimdienst war die Gefährdung von Menschen und Unternehmen noch nie so groß.

Berlin - Die Sicherheitslage in Deutschland spitzt sich weiter zu: Die islamistische Szene umfasst mittlerweile 40 000 Personen. 1800 von ihnen seien zu Anschlägen fähig, sagte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen bei einer öffentlichen Anhörung vor dem Parlamentsgremium zur Kontrolle der Geheimdienste.

 

Maaßen zufolge ist es den Sicherheitsbehörden nicht möglich, das „islamistisch-terroristische Personenpotenzial“ komplett zu überwachen. Zu dieser Klientel zählen auch 700 polizeibekannte Gefährder. 940 Personen sind von Deutschland aus in den Nahen Osten gereist, um für den IS zu kämpfen. 120 von ihnen kamen dabei zu Tode, 300 sind in die Bundesrepublik zurückgekehrt. Maaßen dringt darauf, rechtliche Möglichkeiten zu schaffen, um solchen Personen die deutsche Staatsangehörigkeit zu entziehen.

„Massenhafte“ Bedrohung

Auch die zunehmende Zahl der Attacken im Internet macht den Behörden Sorgen. Der Chef des Bundesnachrichtendienstes, Bruno Kahl, nannte diese Bedrohung „vielfältig und massenhaft“. Auf Nachfrage räumte er einen, dass es „technisch möglich“ wäre, solche Angreifer gezielt auszuschalten. Allerdings verfüge seine Behörde nicht über die rechtliche Kompetenz für solche Gegenangriffe („Back Hacks“), die er für sinnvoll erachte. Maaßen ergänzte, die deutschen Sicherheitsbehörden benötigten eine Erlaubnis, gestohlene Daten zu löschen und Server, von denen Cyberattacken ausgehen, notfalls zu zerstören. Der Chef des Militärischen Abschirmdienstes, Christof Gramm, verwies jedoch auf völkerrechtliche Probleme.

Cyber-Angriffe werden auch für die deutsche Wirtschaft zunehmend zum Problem. Laut einer Umfrage der Beratungsgesellschaft Ernst & Young (EY) sind in den vergangenen drei Jahren 44 Prozent der deutschen Unternehmen Opfer von Datendieben oder Hackern geworden. Unter den befragten Großkonzernen mit über einer Milliarde Umsatz waren sogar 57 Prozent betroffen. An der Erhebung beteiligten sich 450 Führungskräfte aus verschiedensten Branchen.

Das Ausmaß ist höher als vermutet

Die meisten Geschädigten berichteten von Angriffen auf ihre EDV, in der Studie erfasst ist aber auch Datendiebstahl. Dazu zählen zum Beispiel die Entwendung sensibler Dokumente durch eigene Mitarbeiter, das Abhören von Telefonaten sowie Produktfälschungen. EY-Experte Bodo Meseke geht davon aus, dass selbst der jetzt erhobene Betroffenheitsgrad von 44 Prozent das tatsächliche Ausmaß der Probleme nicht widerspiegelt. „Es gibt eine hohe Dunkelziffer, weil einige Unternehmen noch nicht wissen, dass sie Opfer sind, und andere nicht darüber berichten wollen“, sagte er. Die Gefahr werde weiterhin unterschätzt. 82 Prozent der befragten Führungskräfte erklärten die Sicherheitsvorkehrungen ihres Unternehmens für ausreichend. „Das ist blauäugig“, sagte Meseke.