2011 war ein Jahr der Krisen: Guttenbergs Plagiat, Euro-Verfall, Wulffs Hauskredit. Politikberater Thomas Steg sagt, wie man Krisen begegnen sollte.

Politik/Baden-Württemberg: Rainer Pörtner (pö)

Berlin - Er ist Sozialdemokrat, war enger Mitarbeiter von Gerhard Schröder (SPD), stand aber auch - als stellvertretender Regierungssprecher - im Dienste der Kanzlerin Angela Merkel (CDU): Thomas Steg, der heute als Kommunikationsberater in Berlin arbeitet, kennt sich aus mit den Fallstricken in der Politik. Im StZ-Interview erklärt er, wie Krisen zu begegnen ist. 

Braucht Politik die Krise wie ein Junkie den nächsten Schuss?

Überhaupt nicht.Politiker können gut auf Krisen verzichten. Krisen bedeuten Stress und beinhalten unwägbare Gefahren. Sicherlich zeigt sich in einer Krise, aus welchem Holz Politiker sind. Und einzelne Politiker blühen geradezu auf, wenn sie als Krisenmanager gefordert sind. Doch was Politiker ganz sicher und ständig brauchen, ist Öffentlichkeit, Aufmerksamkeit und Wahrnehmung. Und was sie gelegentlich für sich nutzen, sind inszenierte Krisen.

 

Also Situationen und Entwicklungen, die grundsätzlich steuerbar sind und bewusst auf einen Entscheidungskonflikt zugetrieben werden. Dann dreht sich alles nur um die Frage, wer am Ende als Sieger oder als Verlierer das Feld verlässt. Und richtig ist auch, dass erfahrene und nervenstarke Politiker in der Lage sind, Krisen jeder Art so zu nutzen, dass sie ihren Willen und zuvor umstrittene politische Entscheidungen gegen Kritiker und Widersacher durchsetzen.

Was macht gute Krisenkommunikation aus?


Im Idealfall verhindert gute und frühzeitige Kommunikation eine Krise. Doch wenn die Krise eingetreten ist, muss man richtig reagieren. Und zwar schnell, umfassend, wahrhaftig, glaubwürdig und verständlich. Zu viele glauben noch immer, dass es besonders klug wäre, erst einmal abzuwarten, auszusitzen, offensiv zu leugnen, auf Tauchstation zu gehen oder „toter Mann“ zu spielen. In aller Regel zahlt sich das nicht aus. Ehrlichkeit muss das Markenzeichen jeder Krisenkommunikation sein. Denn der größte Schaden tritt dadurch ein, dass man unter dem Druck einer Krise etwas sagt, was sich später als nicht haltbar herausstellt. Also: lieber schweigen als lügen!

Stellen die Deutschen zu hohe moralische Ansprüche an ihre Politiker?

Das glaube ich nicht. Richtig ist, die Deutschen haben bestimmte Erwartungen an ihre Politiker. Dabei sind die Deutschen sehr vernünftig und wissen genau, Politiker sind normale Menschen mit Stärken und Schwächen, mit Fähigkeiten und Fehlern. Sie billigen Politikern durchaus zu, fehlbar zu sein. Sie erwarten auch gar nicht, dass Politiker so was wie „Tugendbolzen“ sind, also in moralischen Dingen völlig untadelig und vorbildlich. Aber sie erwarten, dass Politiker so handeln, wie sie reden.

Wer bei jeder Gelegenheit hervorhebt, wie wichtig die Werte von Ehe und Familie sind, zugleich aber regelmäßig Bordell frequentiert, kann nicht auf Nachsicht hoffen. Auf Heucheleien reagieren die Deutschen sehr empfindlich. Dagegen sind die Deutschen bereit, zwischen dem Politiker als Privatperson und als Amtsperson zu unterscheiden. Von der Amtsperson erwarten sie, dass ein Politiker seine Aufgaben mit Würde, mit Takt und mit einer gewissen Stilsicherheit wahrnimmt.

Die Deutschen wollen gut repräsentiert werden. Und sie wollen in der Politik weder Dampfplauder noch Inszenierungskünstler sondern bodenständige, vertrauenswürdige, gradlinige Männer und Frauen, die das Verständnis für die alltäglichen Sorgen, Nöte und Wünsche der Menschen noch nicht verloren haben.