In der Geschäftsstelle im Stuttgarter Osten haben die Mitglieder ein Piraten-Pad angelegt, ein Dokument, an dem mehrere Leute über das Internet gleichzeitig arbeiten können. So ähnlich wie Google Docs, nur dass hier kein Großkonzern die Daten abgreift. „In Stuttgart sind die Piraten relativ gleichstark geblieben“, sagt Philipp Köngeter, 33, Mechatroniker und Landesvorsitzender der Partei. „Das Problem ist, dass keiner mitbekommt, dass es uns überhaupt noch gibt.“ Immerhin, acht Piraten sitzen in den Bezirksräten, einer im Gemeinderat. Statt über die große Netzpolitik reden sie über das Tanzverbot am Karfreitag, setzen sich für mehr WLAN ein, für Kitaplätze, sozialen Wohnungsbau, für fahrscheinlosen Nahverkehr und für die Legalisierung von Cannabis. „Irgendjemand hat mal gesagt, dass wir das Beste von Grünen, FDP und der Linken vereinen“, sagt Uwe Mayer, der Mann mit den blau gefärbten Haaren. Volksnahe Slogans wie „Stau nervt“ und „Kitaplatz ums Eck“ soll auf den Wahlkampfplakaten stehen, mit denen die Piraten sich zum Feierabendverkehr an den verstopften Stuttgarter Straßen aufstellen wollen. Sie hätten gelernt, dass man den Leuten „nicht einfach irgendwelche Spezialthemen vor den Latz knallen kann“, sagt Anja Hirschel. Jetzt versuchen sie, ihre Botschaften einfacher zu formulieren, nicht nur für Computernerds und Datenspezialisten.

 

Früher haben die Piraten selbstbewusst von sich behauptet: Wir sind nicht links, wir sind nicht rechts, wir sind vorne! So formuliert das inzwischen keiner mehr, vielleicht weil es weniger nach einem klaren Kurs, sondern eher nach Orientierungslosigkeit klingt. Fragt man Anja Hirschel, wofür die Piraten heute stehen, redet die Spitzenkandidatin über flache Hierarchien, Politik von unten, darüber, dass Entscheidungen gemeinsam getroffen werden. „Wir stehen vor allem für eine andere Art, Politik zu machen“, sagt sie. „Klar, wir haben viel Expertise in der IT und beim Thema Datenschutz, aber der digitale Wandel betrifft ja ganz viele Bereiche.“

Ein paar Tage später sitzt Anja Hirschel im Alten Feuerwehrhaus im Stuttgarter Süden, in einer Stunde beginnt hier eine Informationsveranstaltung der Piraten zum bedingungslosen Grundeinkommen, zu der auch ihr Parteikollege und Spitzenkandidat für die Bundestagswahl, Sebastian Alscher, aus Frankfurt gekommen ist. „Wir haben schon immer auf verschiedene Inhalte gesetzt, hatten eine extrem starke Fachkompetenz – und wir haben es geschafft, dass viele sich von den größeren Parteien mit Themen wie Netzpolitik oder Datenschutz beschäftigen“, sagt Alscher, der sich vor allem um Finanz- und Innenpolitik kümmert.

Das Geld ist knapp

Man könnte sagen, dass Frank Schirrmacher recht behalten sollte, als er 2009 in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ schrieb, dass die Piraten nicht Partikularinteressen vertreten, sondern einen revolutionären Wandel der Gesellschaft aufgreifen würden. Und dass sie mit ihren Fragen aus der digitalen Welt die anderen Parteien verändern werden. Man könnte auch sagen, dass die Piraten sich selbst überflüssig gemacht haben, schließlich hat auch die CDU irgendwann einen Arbeitskreis Netzpolitik gegründet.

Viele Fraktionsmitglieder in den Landesparlamenten und Piraten in Gemeinderäten haben sich einen guten Ruf erarbeitet, galten als akribisch, fleißig, kritisch, schrieben Antrag um Antrag und zwangen die Politik dazu, Themen wie Datenschutz und Transparenz nicht außer Acht zu lassen. Zugeschrieben wurde das den Piraten nur selten, jedenfalls nicht von der Öffentlichkeit, die bekam neben all den Streitereien und Fehden davon nur wenig mit. Inzwischen sind viele Piraten in andere Parteien gewechselt. Diejenigen, die geblieben sind, verfolgen noch immer dieselben Ziele, wollen aber weg vom Image der Protestpartei.

„Wir haben uns verändert“, sagt die Spitzenkandidatin Anja Hirschel, und dass sich die Piraten endlich gefunden hätten. Da, wo Hirschel herkommt, aus einem schwäbischen Dorf, gab es eigentlich nur die CDU, aber als sie fürs Informatikstudium nach Ulm ging, landete sie an einem Piraten-Stammtisch. „Bei uns gibt es viele verschiedene Meinungen, und alle werden diskutiert“, sagt sie.

Anja Hirschel bezeichnet sich als Pragmatikerin, sie steht für den Wandel der Piraten: Vor zwei Jahren, als sie in Ulm für das Bürgermeisteramt kandidierte, trug sie noch ein, kurzes Tüllkleid mit Rosen-Print, heute ist es ein schlichtes Shirt unter einem dunklen Jackett. Sie wirkt nun seriöser. Für den Bundestagswahlkampf hat sie ihren Job bei einem Software-Konzern auf 50 Prozent runtergefahren. Würde die Partei ihren Namen ändern oder ganz neu starten, würden die Piraten sich selbst verkaufen, sagt sie. „Wir sind so ehrlich, dass wir zugeben, dass viele Fehler passiert sind. Aber wir stehen trotzdem zu der Partei.“

Hat sich die Partei selbst überflüssig gemacht?

In der Geschäftsstelle im Stuttgarter Osten haben die Mitglieder ein Piraten-Pad angelegt, ein Dokument, an dem mehrere Leute über das Internet gleichzeitig arbeiten können. So ähnlich wie Google Docs, nur dass hier kein Großkonzern die Daten abgreift. „In Stuttgart sind die Piraten relativ gleichstark geblieben“, sagt Philipp Köngeter, 33, Mechatroniker und Landesvorsitzender der Partei. „Das Problem ist, dass keiner mitbekommt, dass es uns überhaupt noch gibt.“ Immerhin, acht Piraten sitzen in den Bezirksräten, einer im Gemeinderat. Statt über die große Netzpolitik reden sie über das Tanzverbot am Karfreitag, setzen sich für mehr WLAN ein, für Kitaplätze, sozialen Wohnungsbau, für fahrscheinlosen Nahverkehr und für die Legalisierung von Cannabis. „Irgendjemand hat mal gesagt, dass wir das Beste von Grünen, FDP und der Linken vereinen“, sagt Uwe Mayer, der Mann mit den blau gefärbten Haaren. Volksnahe Slogans wie „Stau nervt“ und „Kitaplatz ums Eck“ soll auf den Wahlkampfplakaten stehen, mit denen die Piraten sich zum Feierabendverkehr an den verstopften Stuttgarter Straßen aufstellen wollen. Sie hätten gelernt, dass man den Leuten „nicht einfach irgendwelche Spezialthemen vor den Latz knallen kann“, sagt Anja Hirschel. Jetzt versuchen sie, ihre Botschaften einfacher zu formulieren, nicht nur für Computernerds und Datenspezialisten.

Früher haben die Piraten selbstbewusst von sich behauptet: Wir sind nicht links, wir sind nicht rechts, wir sind vorne! So formuliert das inzwischen keiner mehr, vielleicht weil es weniger nach einem klaren Kurs, sondern eher nach Orientierungslosigkeit klingt. Fragt man Anja Hirschel, wofür die Piraten heute stehen, redet die Spitzenkandidatin über flache Hierarchien, Politik von unten, darüber, dass Entscheidungen gemeinsam getroffen werden. „Wir stehen vor allem für eine andere Art, Politik zu machen“, sagt sie. „Klar, wir haben viel Expertise in der IT und beim Thema Datenschutz, aber der digitale Wandel betrifft ja ganz viele Bereiche.“

Ein paar Tage später sitzt Anja Hirschel im Alten Feuerwehrhaus im Stuttgarter Süden, in einer Stunde beginnt hier eine Informationsveranstaltung der Piraten zum bedingungslosen Grundeinkommen, zu der auch ihr Parteikollege und Spitzenkandidat für die Bundestagswahl, Sebastian Alscher, aus Frankfurt gekommen ist. „Wir haben schon immer auf verschiedene Inhalte gesetzt, hatten eine extrem starke Fachkompetenz – und wir haben es geschafft, dass viele sich von den größeren Parteien mit Themen wie Netzpolitik oder Datenschutz beschäftigen“, sagt Alscher, der sich vor allem um Finanz- und Innenpolitik kümmert.

Das Geld ist knapp

Man könnte sagen, dass Frank Schirrmacher recht behalten sollte, als er 2009 in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ schrieb, dass die Piraten nicht Partikularinteressen vertreten, sondern einen revolutionären Wandel der Gesellschaft aufgreifen würden. Und dass sie mit ihren Fragen aus der digitalen Welt die anderen Parteien verändern werden. Man könnte auch sagen, dass die Piraten sich selbst überflüssig gemacht haben, schließlich hat auch die CDU irgendwann einen Arbeitskreis Netzpolitik gegründet.

Viele Fraktionsmitglieder in den Landesparlamenten und Piraten in Gemeinderäten haben sich einen guten Ruf erarbeitet, galten als akribisch, fleißig, kritisch, schrieben Antrag um Antrag und zwangen die Politik dazu, Themen wie Datenschutz und Transparenz nicht außer Acht zu lassen. Zugeschrieben wurde das den Piraten nur selten, jedenfalls nicht von der Öffentlichkeit, die bekam neben all den Streitereien und Fehden davon nur wenig mit. Inzwischen sind viele Piraten in andere Parteien gewechselt. Diejenigen, die geblieben sind, verfolgen noch immer dieselben Ziele, wollen aber weg vom Image der Protestpartei.

Anja Hirschel und Sebastian Alscher stehen für diesen Weg. Alscher, der langjährige Investmentbanker, der mittlerweile aus dieser Branche ausgestiegen und vor zwei Jahren in die Piratenpartei eingetreten ist, trägt ein rot-weiß gestreiftes Hemd, Jeans, eine schwarze Brille und blättert in einem „Manager-Magazin“. „Bei uns ist es in Ordnung, Regenbogenfarbenhaare zu haben, aber es ist kein Muss“, sagt er.

Die Piraten haben heute zwei Festangestellte und kaum Mittel für den Bundestagswahlkampf oder für die außerparlamentarische Arbeit. Man könnte es als puren Trotz interpretieren, wenn Anja Hirschel sagt, dass sie im September auf ein gutes Ergebnis setzt. Man könnte auch sagen, sie sei naiv. Doch wer Anja Hirschel reden hört, der merkt, dass sie von ihrer Partei vollkommen überzeugt ist. „Vielleicht ist die Gesellschaft noch nicht bereit für uns, aber wir sind die Zukunft“, sagt sie, „und wir haben einen langen Atem.“