Vom 1. April an gilt das Dieselverkehrsverbot auch für die Einwohner in Stuttgart. Selbst wer einen Ausnahmeantrag gestellt hat, ist vorerst betroffen.
Stuttgart - Am 1. April zündet die zweite Stufe des Dieselfahrverbots in Stuttgart. Von diesem Montag an sind nicht nur Auswärtige, sondern rechnerisch auch rund 18 000 Stuttgarter Fahrzeuge betroffen, deren Schadstoffklasse unter Euro 5 liegt. 4540 Stuttgarter haben seit Januar einen Antrag auf eine Ausnahmegenehmigung abgegeben, insgesamt sind es bisher 10 250. Noch immer stellen sich zum Fahrverbot viele Fragen.
Gibt es freie Fahrt, wenn der Ausnahmeantrag gestellt wird?
Wer seinen Antrag im Internet unter verkehrsverbot@stuttgart.de, telefonisch unter 07 11 / 216 - 3 21 20 oder persönlich in der Jägerstraße 14 in Stuttgart gestellt und bisher keine Antwort erhalten hat, der muss warten – ohne Auto. „Antragsteller dürfen nicht fahren“, stellt Stadtsprecherin Ann-Katrin Gehrung klar. Für diese gilt vom 1. April an so lange das Verbot, bis der Ausnahmebescheid erstellt ist. Er befreit für ein Jahr und ist kostenlos. Antragsteller bemängeln, dass die Bearbeitung teils nach Monaten noch immer nicht abgeschlossen ist.
Wie viele Ausnahmen wurden bisher erteilt?
Wie viele Stuttgarter bisher eine Ausnahmegenehmigung erhielten, kann die Verwaltung offenbar derzeit nicht sagen. Diese Daten würden nicht erfasst, sagt Gehrung. Das erscheint verwunderlich, denn bei einer Infoveranstaltung am 12. Februar im Stuttgarter Rathaus wurden die Anträge (damals insgesamt 8022) genau aufgeschlüsselt nach Pkw (5625), Nutzfahrzeugen (1548), Wohnmobilen (849) und auch nach Anträgen von Privatpersonen (4662) sowie von Gewerbetreibenden (3360).
Darf der alte Diesel am Straßenrand stehen bleiben?
Das Fahrverbot heißt eigentlich Verkehrsverbot. Wer seinen Diesel unter Euro 5 damit nicht in die Garage oder auf das eigene Grundstück, sondern auf einen öffentlichen Stellplatz oder die Straße stellt, riskiert genauso wie im Betrieb 80 Euro Bußgeld. Dazu kommen noch Gebühren und Auslagen, in der Summe dann 108,50 Euro, rechnet Ordnungsbürgermeister Martin Schairer (CDU) vor. Punkte gibt es für den Verstoß keine.
Wirkt das Fahrverbot?
Bisher sind die Stickstoffdioxidwerte an den Hauptmessstellen am Neckartor und an der Hohenheimer Straße durch das für Auswärtige geltende Fahrverbot (seit 1. Januar) kaum zurückgegangen. Sie liegen bei mehr als 60 Mikrogramm und damit über dem EU-Jahresmittel-Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Eine Wirkung hat das Verbot auf den Kraftfahrzeugbestand in Stuttgart. Von Dezember auf Januar und Januar auf Februar wurden jeweils fast 1500 Diesel unter Euro 5 in Stuttgart abgemeldet. Der Dieselanteil an allen Fahrzeugen liegt bei 30 Prozent.
Gibt es Hilfen für Betroffene?
Es gibt Kaufanreize von den Autoherstellern zum Umstieg auf schadstoffärmere Neuwagen. Die kann sich dennoch nicht jeder leisten. Außerdem hat das Land den Kriterienkatalog für Ausnahmegenehmigungen erst vor wenigen Tagen um einige Härtefälle erweitert. „Besondere Härten“, sagt Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), sollen abgemildert werden. So ist die Zumutbarkeitsgrenze für eine Ersatzbeschaffung um 25 Prozent angehoben worden. Damit habe man die höheren Lebenshaltungskosten im Ballungsraum berücksichtigt. Das monatliche Nettogehalt zum Beispiel in einem Vier-Personen-Haushalt kann nun 2640 statt 2110 Euro erreichen. Auch die familiäre Betreuung von Kindern unter acht Jahren kann zu einer Ausnahme führen. Die kurze Frist für die Änderungen wurde von OB Fritz Kuhn (Grüne) bemängelt. „Die Lage ist nicht von großer Übersichtlichkeit gezeichnet“, sagt er.
Macht der Verkehrsverbund VVS besondere Angebote?
Im VVS gilt noch bis Mitte April das vergünstigte Tagesticket. Viel wichtiger ist die große Tarifreform zum 1. April. 52 Zonen werden zu nur noch fünf VVS-Ringzonen, die beiden Stuttgarter und zwei in den Landkreisen werden zusammengefasst. Die Fahrpreise werden nicht direkt billiger, sind aber je nach Relation um 30 Prozent geringer. Wer zum Beispiel von Ludwigsburg nach Stuttgart pendelt, spart im Abo 278 Euro pro Jahr.
Was wird aus der Forderung nach kostenlosen Fahrscheinen für einen Autoverzicht?
Die Forderung der Fraktion SÖS/Linke-plus im Gemeinderat wird geprüft, hat bisher aber wenig Aussicht auf eine Mehrheit. Die Stadtverwaltung soll bis zum 9. April einen Vorschlag machen. Man wolle sich dies „verschärft“ unter rechtlichen Gesichtspunkten ansehen, sagt Verwaltungsbürgermeister Fabian Mayer (CDU).
Was wird aus den Euro-5-Dieseln?
Davon gibt es in allein Stuttgart 24 566. Ihre Nutzung könnte 2020 laut Gerichtsurteil im ganzen Stadtgebiet oder, und darum bemüht sich die Landesregierung, nur auf bestimmten Strecken verboten werden, wenn die Schadstoffwerte nicht deutlich sinken.