Ein Moratorium für Fahrverbote? So lange die Grenzwerte für Stickoxide gelten, sind sie auch einzuhalten, sagt der Ministerpräsident. Die Landes-CDU hat ganz andere Pläne.

Stuttgart - In der Debatte über die Fahrverbote für Dieselautos hat Ministerpräsident Winfried Kretschmann zur Gesetzestreue aufgerufen. In der Demokratie könne man „alles infrage stellen und rauf und runter diskutieren“, sagte der Grünen Politiker am Dienstag. „Aber Gesetze – solange sie nicht geändert sind – gelten. Gerichtsurteile, solange sie nicht durch ein Berufungsgericht geändert werden, sind verbindlich.“ Das sei die Grundlage allen politischen Handelns. „Wir sind ein Rechtsstaat und halten uns an Gesetze.“

 

Der Ministerpräsident war in der Pressekonferenz nach der Kabinettssitzung auf die Forderung seiner christdemokratischen Koalitionspartner nach einem vorläufigen Stopp der Fahrverbote angesprochen worden. In der „Schöntaler Erklärung“, welche die Landes-CDU auf ihrer Klausurtagung am Wochenende in Kloster Schöntal (Hohenlohekreis) verabschiedet hatte, heißt es: „Daher ist der ohne wissenschaftliche Grundlage entstandene Grenzwert für NOx neu festzulegen. Bis dahin muss es ein Moratorium für massive Eingriffe ins Eigentum aufgrund dieses Grenzwertes geben.“ Die Partei verlangt eine Expertenkommission zur Überprüfung aller Schadstoffgrenzwerte, die Standorte der Messstellen seien zu überprüfen.

Land und Bund können wenig tun

Wie ein solches Moratorium ins Werk gesetzt werden könnte, lässt die Landes-CDU allerdings offen. Kretschmann wies darauf hin, dass weder das Land noch der Bund eine direkte Kompetenz in der Frage habe, dies Zuständigkeit vielmehr in Brüssel liege. Der Ministerpräsident sagte unter Berufung auf Kanzlerin Angela Merkel, dass die EU-Kommission bereits einen früheren Vorstoß der Bundesregierung für ein Moratorium abgeschmettert habe. Der Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft sei 1999 auf Vorschlag der EU-Kommission von den EU-Mitgliedstaaten bestätigt worden. Die Richtlinien zur Luftqualität würden seit 2016 ohnehin von der EU überarbeitet. „Wir leben in einer Welt, in der Wissenschaft infrage gestellt wird“, sagte Kretschmann. Deshalb sei es richtig, wenn das Bundeskanzleramt eine Plausibilitätsdebatte in der Wissenschaft organisiere. Die Wissenschaft müsse darlegen, „dass und warum diese Grenzwerte plausibel sind“.

In Stuttgart gelten bereits Fahrverbote für Diesel bis inklusive der Abgasnorm Euro 4. Diesel-5-Fahrverbote könnten folgen. Gegen ein Urteil des Stuttgarter Verwaltungsgerichts hatte die Landesregierung im Oktober 2017 Sprungrevision beim Bundesverwaltungsgericht eingelegt – allerdings vergeblich. Das Gericht erklärte vor einem Jahr Fahrverbote bei Wahrung der Verhältnismäßigkeit für zulässig. Die CDU hatte damals für eine Berufungsverhandlung plädiert. Das verhinderten die Grünen, was das Koalitionsklima bis heute belastet. Kretschmann sagte mit Blick auf Fahrverbote für Diesel 5: „Ich sehe das Drama, da sich da anbahnt, sehr wohl.“