Die Politik hat sich nach zähem Ringen geeinigt. Die Hersteller aber zögern bei der Nachrüstung noch immer. Das ist ein Skandal, kommentiert Christopher Ziedler.

Berlin - Endlich! Ein Jahrzehnt nach Inkrafttreten der EU-Schadstoffgrenzwerte und drei Jahre nach Bekanntwerden der Abgasmanipulationen hat es einen Dieselgipfel gegeben, der seinen Namen mehr verdient als die Vorgängertreffen. Nach viel zu langem Hin und Her hat sich die Regierungskoalition auf ein Konzept verständigt, mit dem ernsthafter als bisher etwas für sauberere Luft in den Innenstädten und zugleich auch für die von Fahrverboten bedrohten Dieselfahrer getan wird.

 

Allein die Autoindustrie muss es sich zuschreiben lassen, wenn das Warten für ihre Kunden erst einmal weitergeht. Wohl bietet sie Umtauschprämien für alte Stinker an, weil sie damit – wenn auch zum Rabattpreis – mehr Fahrzeuge absetzen kann. Das politisch wichtige Signal aber verweigern die Hersteller bis jetzt: Noch immer fehlt ihre klare Zusage, den optionalen Katalysator-Einbau voll zu finanzieren, BMW will Hardware-Nachrüstungen sogar verweigern. Das ist nichts weniger als skandalös.

Die Hersteller könnten liefern – wenn sie wollten

Die Bedenken gegen die Nachrüstungen sind dabei durchaus verständlich. Sie gelten als Investition in altes Material – als technisch schwierig ohnehin. Dazu kommt die Sorge, die Mehrkosten könnten Jobs gefährden oder den Aktienkurs derart nach unten ziehen, dass Traditionskonzerne wie Daimler zu Übernahmekandidaten werden. Insofern zeigt der Kursanstieg unmittelbar nach der Koalitionseinigung, dass eine echte Lösung im Sinne der Verbraucher, die den Autobauern zwangsläufig finanziell weh tun muss, noch aussteht.

Es geht um Relationen. Natürlich muss die Politik die Arbeitsplätze im Blick haben. Die Hersteller wären aber auch nicht ruiniert, wenn alle 1,4 Millionen Besitzer von Euro-4- und Euro-5-Dieseln in den Schadstoffhochburgen eine Nachrüstung für rund 3000 Euro verlangten. Keine Frage, 4,2 Milliarden Euro sind viel Geld – aber eben auch nur etwas mehr als ein Zehntel der addierten Jahresgewinne von BMW, Daimler und VW in 2017 und weniger als das, womit allein die Wolfsburger ihre amerikanischen Käufer entschädigt haben.

In der Praxis dürften viele betroffene Diesel-Kunden ohnehin zur Tauschoption greifen, was wiederum den Absatz ankurbelt. Obendrauf legt der Staat noch die Förderung für die Umrüstung städtischer Nutzfahrzeuge, Handwerker- und Lieferfahrzeuge – ein Konjunkturprogramm, das die Schmerzen der Autobauer lindern wird. Und die ausländische Konkurrenz wird nicht davonziehen, sondern nachziehen müssen, wenn hierzulande ein neuer Standard beim Kundenservice gälte.

Es geht um eine Politik für die Bürger

Statt zu mauern, sollten die Hersteller das Dieselpaket ohnehin lieber als das annehmen, was es ist, nämlich eine Investition in die Glaubwürdigkeit nicht nur der Politik, sondern der Autokonzerne selbst. Sie haben allesamt Vertrauen verspielt mit Autos, die nur unter Laborbedingungen sauber sind, und der Aufklärung, die lange nur häppchenweise serviert worden ist.

Aus der Diesel-Saga droht ein weiteres Beispiel dafür zu werden, dass im globalen Wettbewerb die Interessen großer Banken oder Konzerne mehr, die von Otto Normalverbraucher dagegen weniger gelten – und die Umwelt ohnehin verliert. Finanz-, Euro- und Flüchtlingskrise bescheren den nationalistischen Abschottungsideologen ungeahnten Zulauf, was nicht zuletzt die Unternehmen fürchten müssen. Das Dieselpaket der Regierung ist ein kleiner Teil des Großversuchs, diesem Trend mit bürgernäherer Politik, in der auch das marktwirtschaftliche Verursacherprinzip wieder gilt, etwas entgegenzusetzen.

Wenn die Wirtschaft mitmacht. Die Automanager sollten sich bewusst machen, dass sie jetzt nicht nur die Chance haben, ihren eigenen Ruf aufzupolieren, sondern ihre Verantwortung weiter reicht. Es stünde dem Daimler-Konzern diesbezüglich gut zu Gesicht, mit gutem Beispiel voranzugehen. Zahlen bitte, Herr Zetsche!