Die anderen Bundesländer gehen leer aus. Ministerpräsident Weil hat nun mehr Geld im Landesetat. Die Grünen werfen der Bundesregierung vor, Strafzahlungen für Autokonzerne versäumt zu haben.

Berlin - Manchmal meint es Fortuna gut mit einem Finanzminister: Was jetzt Niedersachsen widerfährt, sei nicht mehr mit einem Sechser im Lotto zu vergleichen, heißt es in einem Länderfinanzministerium. „Das ist so, wie wenn man alle Gewinne einer Lotterie auf einmal erhält.“ In Deutschland hat es das noch nie gegeben: Die Verhängung der höchsten Geldbuße, die jemals einem Unternehmen auferlegt worden ist, bedeutet für das Land Niedersachsen einen einmaligen Geldsegen. Der VW-Konzern muss wegen der Abgasmanipulationen ein Bußgeld von einer Milliarde Euro bezahlen. Die gesamte Summe fließt dem niedersächsischen Landeshaushalt zu. Der Bund und die anderen Länder schauen in die Röhre.

 

Land profitiert von Staatsanwaltschaft Braunschweig

Grund ist, dass die Staatsanwaltschaft Braunschweig das Verfahren gegen VW führt. Die Geldbuße und die Einnahmen aus der Abschöpfung der wirtschaftlichen Vorteile von VW wurden von einer niedersächsischen Landesbehörde verhängt und stehen vollständig dem Landesetat zu. Das geht aus einer Mitteilung der Staatskanzlei in Hannover hervor. Volkswagen soll das Geld innerhalb von sechs Wochen überweisen. Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) verhält sich so, wie dies Lotteriegewinnern empfohlen wird. Er will erst einmal gründlich nachdenken, wie die Mittel eingesetzt werden.

Anfangs war noch vermutet worden, dass Niedersachsen die unverhofften Einnahmen mit anderen Ländern teilen muss. Die Grünen im niedersächsischen Landtag hatten erklärt, die Einnahmen würden im bundesdeutschen Finanzausgleich angerechnet. In diesem Fall wären nur zehn Prozent für Niedersachsen übrig geblieben. Doch der niedersächsische Ministerpräsident Weil tritt dieser Vermutung klar entgegen. Bußgelder und Mittel aus der Abschöpfung unberechtigter Gewinne gehörten nicht zu den Einnahmen, die im Länderfinanzausgleich verrechnet werden.

Bisher gibt es dagegen keine Proteste aus anderen Ländern. Kein Land will einen Präzedenzfall schaffen, denn dies könnte dazu führen, dass künftig alle Bußgelder geteilt werden müssen.

Grüne: Bund hätte ebenfalls Strafen fordern können

Aus Sicht der Grünen-Bundestagsfraktion hat sich die Bundesregierung hohe Strafzahlungen der Autokonzerne entgehen lassen. „Die Bundesregierung hat im Dieselskandal versäumt, mit Sanktionen des Kraftfahrt-Bundesamts wichtige Einnahmen für den Bundeshaushalt zu erzielen“, sagte der Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer unserer Zeitung. Das Kraftfahrt-Bundesamt hätte schon längst Bußgelder verhängen können, die dann dem Bundeshaushalt zugeflossen wären, gibt Krischer zu bedenken. Diese Mittel könnten für die Hardware-Nachrüstung der betroffenen Dieselautos oder Kaufprämien für Elektroautos verwendet werden. Erst 2016 sei die Zuständigkeit für Bußgelder von den Landesbehörden auf das Kraftfahrt-Bundesamt übertragen worden, so Krischer. Diese Änderung sei aber folgenlos geblieben. „Die Behörde hat auf Weisung des Bundesverkehrsministers die Hände in den Schoß gelegt“, meinte Krischer. Die Konsequenzen bekomme nun der Bund zu spüren, denn das VW-Bußgeld fließe in eine andere Kasse.

Aus Sicht der Grünen lege das Vorgehen der niedersächsischen Ermittlungsbehörden die Latte für die Staatsanwaltschaften in Stuttgart und München hoch – auch gegen Daimler und BMW wird ermittelt. Es wäre aber sinnvoll, wenn das Kraftfahrt-Bundesamt Sanktionen verhänge, so Krischer.

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart behält sich das Einleiten von Bußgeldverfahren gegen alle bei ihr in Dieselermittlungen verwickelte Unternehmen vor. Auf die Frage, ob bei den Autobauern Daimler und Porsche, dem VW-Großaktionär Porsche SE und dem Autozulieferer Bosch Ordnungswidrigkeitsverfahren wie bei VW möglich sind, erklärte die Behörde: „In all diesen Verfahren ist es grundsätzlich möglich, dass Ordnungswidrigkeitsverfahren durchgeführt werden – das prüfen wir noch.“