Die Bürger der Landeshauptstadt sollen künftig mehr als 500 Serviceleistungen online abwickeln können. Die Stadt muss dafür in den kommenden Jahren IT-Spezialisten rekrutieren – und viel Geld in die Hand nehmen.

Stuttgart - Die Stadtverwaltung steht in den kommenden fünf Jahren vor einem fundamentalen Wandel. Die Digitalisierung von internen Verwaltungsvorgängen und des Kundengeschäfts stellt die städtischen Beschäftigten, aber auch die Bürger vor Herausforderungen. Verwaltungsbürgermeister Fabian Mayer (CDU), unter dessen Federführung das Konzept „Digital MoveS“ auf den Weg gebracht wurde: „Ich begreife die Digitalisierung als eine der größten Umwälzungen in der Verwaltung, die es je gegeben hat.“

 

Warum kommt die Digitalisierung?

Die Wirtschaft hat den Umstieg zumindest in Teilen schon vollzogen, die öffentlichen Verwaltungen hinken hinterher. Der Bund setzt nun die Kommunen unter Druck. Das sogenannte Online-Zugangsgesetz (OZG) vom August 2017 schreibt den vollständigen Ausbau digitaler Verwaltungsleistungen bis ins Jahr 2022 vor. Die Grundlagen für das Gesetz hatte die Große Koalition aus CDU/CSU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag verankert. Wie die Unternehmen versprechen sich auch die Behörden von der Digitalisierung eine höhere Effizienz und zugleich eine Entlastung der städtischen Mitarbeiter bei der Bearbeitung von internen Verwaltungsverfahren, aber auch beim Bürgerservice. So sollen beispielsweise in Zukunft Anträge für einen Führerschein oder die Zulassung oder Abmeldung eines Fahrzeugs komplett elektronisch abgewickelt werden können. Das sogenannte Backend umfasst dabei die Antragsstellung, Bearbeitung und Archivierung des Vorgangs auf dem Computer. Stuttgart will laut Bürgermeister Mayer bis 2022 515 kommunale Leistungen digital anbieten.

Was sind die Voraussetzungen für den Umbau?

Die wichtigste Voraussetzung ist der Komplettanschluss der kommunalen Verwaltung an das Breitbandkabelnetz, das ein schnelles Internet und den digitalen Zugang für alle städtischen Beschäftigten ermöglicht. Das ist bislang nur bei 500 von insgesamt 850 Verwaltungseinheiten der Fall. Zudem muss die zentrale IT-Abteilung der Stadt, die dem Haupt- und Personalamt angegliedert ist, personell aufgestockt werden. Darüber hinaus soll es künftig auch in den verschiedenen städtischen Ämtern IT-Spezialisten – sogenannte Digital Movers – geben, die nicht zuletzt auch das Personal schulen. Zudem müssen die mehr 3000 Geschäftsprozesse der Verwaltung systematisch erfasst werden, um sie dann in die digitale Welt überführen zu können. Für freiwillige oder besondere Leistungen der Stadt – wie etwa die Bonuscard – sollen die IT-Entwickler selbst die entsprechenden Programme schreiben, für alle anderen Dienstleistungen soll die 2018 vom Land und den kommunalen Zweckverbänden gegründete Datenzentrale ITEOS eine Standardsoftware entwickeln. Außerdem wird die städtische Homepage demnächst komplett überarbeitet, um den Bürgern den digitalen Service möglichst unkompliziert anbieten zu können.

Was kostet die Digitalisierung und wie lange dauert sie?

Rund 100 Stellen will der Verwaltungsbürgermeister in einem ersten Schritt bei den anstehenden Beratungen zum Doppeletat 2020/2021 dafür beantragen. Im ersten Schritt rechnet Mayer mit einer Investitionssumme von rund 25 Millionen Euro für Breitbandausbau und Personal. Das Ziel, binnen fünf Jahren sämtliche kommunalen Leistungen online zur Verfügung zu stellen, hält Mayer für sehr ehrgeizig. Nicht zuletzt deshalb, aber auch mit Rücksicht auf die ältere Generation und auf weniger online-affine Bürger werden die bisherigen analogen Strukturen aufrecht erhalten. Das heißt, der Bürger kann wie bisher auch weiterhin sein Stadtbezirks-Bürgerbüro oder ein Amt aufsuchen.

Welche Vorteile bringt die Digitalisierung?

Mayer verspricht sich von dem Umbau eine Entlastung des Personals, weniger Papierverbrauch und eine schnelle und unkomplizierte Bearbeiten von Anträgen. Einen Personalabbau durch die Automatisierung von Verwaltungsvorgängen sei nicht vorgesehen: „Ich gehe nicht davon aus, dass wir in den nächsten Jahren weniger städtisches Personal haben werden“, so Mayer. Auch die Lagerung von Akten wie etwa im Liegenschafts- oder Baurechtsamt wird langfristig überflüssig, die Archive werden gescannt und dann auf digitalen Datenträgern gespeichert. Zudem sollen Absprachen zwischen mehreren beteiligten Ämtern durch Videokonferenzen und Chats vereinfacht und beschleunigt werden.

Wo liegen die Risiken der Digitalisierung?

Hier ist an erster Stelle das Thema Datenschutz zu nennen. In Umfragen, bei denen sich Befürworter und Gegner der Digitalisierung zahlenmäßig fast die Waage halten, wird von Letzteren immer wieder die Angst vor dem Missbrauch der eigenen Daten genannt. Auch der Gesamtpersonalrat der Stadt warnt vor dem „gläsernen Mitarbeiter“, dessen Arbeitsleistung künftig womöglich online kontrolliert werden könne. Der Verwaltungsbürgermeister ist sich der Bedenken bewusst: „Ein wesentlicher Teil unserer Investitionen wird in die IT-Sicherheit und den Datenschutz fließen.“