Digitalisierung in der Landwirtschaft Die Hennen fahren ihrem Futter hinterher

Hühnermobile und vollautomatische Geflügelställe sind bei Landwirten immer stärker nachgefragt. Auch auf Höfen in Steinenbronn und Waldenbuch stehen neuerdings fahrbare Behausungen. Bauern sehen darin vor allem Vorteile.
Steinenbronn/Waldenbuch - Zwei Zimmer im Grünen, großer Garten, Putzservice, Vollpension, autarke Stromversorgung über Solarzellen, moderne Isolierung: Klingt verlockend, diese traumhaften Wohnverhältnisse sind allerdings Hühnern vorbehalten. Auf dem Hof Allmend in Steinenbronn leben neuerdings 240 Hühner und drei Hähne, aber nicht etwa im schnöden Stall, sondern im Hühnermobil. Werner Elsäßer, der Juniorchef, hat sich das Ding angeschafft. „Ich bin Neueinsteiger“, sagt er. Der Clou: Die mobile Behausung kann er auf immer neue Wiesen bringen. „Wenn sie das Gras runtergepickt haben, fahren ich sie mit dem Traktor ein paar Meter weiter“, sagt er.
Kot wird über Förderband abtransportiert
Die Flexibilität ist nicht der einzige Vorteil. Im oberen Stockwerk, dem Essens- und Schlafbereich, werden die tierischen Bewohner automatisch mit Körnern aus eigenem Anbau und Wasser versorgt, der Kot wird über ein Förderband abtransportiert. In der unteren Etage, im Kaltscharr-Raum, können die Hühner in Ruhe kratzen und buddeln, wenn es sie nicht gerade raus auf die Streuobstwiese zieht. Durch diese Haltung bestehe ein geringeres Krankheitsrisiko für die Tiere.
Im Hühner-Caravan herrscht ein geregelter Tagesablauf – vollautomatisch. Um 2 Uhr nachts gehen die Nestklappen auf, damit sich legewillige Hennen in die Dinkelspreu setzen können. Um 6 Uhr geht das Frühstückslicht an. Um 10 Uhr öffnen sich die Türen ins Freie. Um 15 Uhr schließen sich die Nestklappen, damit die Hühner die Legestellen nicht beschmutzen. In der Abenddämmerung schaltet sich innen das Licht ein, damit die Hühner sich daheim einfinden. Von 19 Uhr an ist dann Bettruhe angesagt.
Zahl der Förderfälle mit Mobilställen ist seit 2015 deutlich gestiegen
Werner Elsäßer ist nicht allein. Hühnermobile sind in, selbst wenn dafür in Baden-Württemberg eine Baugenehmigung benötigt wird. Übers Agrarinvestitionsförderungsprogramm können beim Landwirtschaftsministerium Zuschüsse beantragt werden. Die Zahl der Förderfälle mit Mobilställen ist seit 2015 deutlich gestiegen, wurde jüngst im Landtag bekannt. Demnach ist seit 2010 in 119 Fällen für einen oder gleich mehrere Mobile Geld geflossen. Auch Hersteller sprechen von einem Boom. Die Firma Farmermobil stellt im Münsterland pro Woche sechs bis sieben Exemplare her, die Nachfrage sei „schnell steigend“. Laut dem Juniorchef Jan Veltrup müssen sich Interessenten je nach Modell auf Wartezeiten von sechs Monaten oder mehr einstellen.
„Es werden schon immer mehr“, bestätigt Johannes Ruckh vom Bioland-Hof Ruckh in Waldenbuch. Auch er hat sich vor ein paar Monaten ein Hühnermobil für 220 Vögel gekauft, nachdem er zuvor mit einem Bauwagen Erfahrungen gesammelt hatte. Die Handhabung sei leicht, die Eier seien beliebt und schnell vergriffen. Doch er hat auch Nachteile festgestellt.
Noch haben sich nicht alle eingewöhnt
Füchse und vor allem Habichte machten sich zunutze, dass die Außenbereiche nicht fest eingezäunt und mit Netzen versehen seien. Im vergangenen Winter hätten Greifvögel 15 bis 20 Hühner geschlagen, „bei den Kollegen waren es noch mehr“. Dennoch lautet Johannes Ruckhs Fazit: „Es lohnt sich.“
Werner Elsäßer aus Steinenbronn hofft, dass seine Hühnerschar von Angriffen verschont bleibt. Aktuell sind es nur die startenden Flugzeuge vom Stuttgarter Flughafen, die die Hennen nervös machen. Seit vier Wochen leben die Junghennen nun im Mobil. Noch haben sich nicht alle eingewöhnt. An diesem Nachmittag bleiben manche lieber im Stall, obwohl die Klappen weit geöffnet sind. Auch die Legeleistung ist noch nicht die beste. Fünf bis zehn Eier findet Werner Elsäßer täglich in den Nestklappen vor. „Das muss nach oben“, immerhin soll sich die 40 000 Euro teure Anschaffung auch irgendwann amortisieren. Und die Steinenbronner warten offenbar auch auf die Eier aus dem Hühnermobil. Werner Elsäßers Vater Otto betont: „Die Nachfrage ist da.“
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