CSU und SPD machen sich für mehr direkte Demokratie in europäischen Grundsatzfragen stark. Sie wollen das im Regierungsprogramm festschreiben. Aber in der CDU gibt es dagegen massive Vorbehalte.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Es gibt nicht allzu viele Themen, bei denen Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich und der Sozialdemokrat Thomas Oppermann gleicher Meinung sind. Nun haben sie mit einigem Aplomb auf heiklem Terrain eine Initiative gestartet, die Kanzlerin Angela Merkel und ihre Partei heftig verdrießt. Die weißblau-rote Zwei-Mann-Koalition macht sich für mehr Mitspracherechte der Bürger stark – im Bund und auf europäischer Ebene.

 

„Die im Grundgesetz verankerte parlamentarisch-repräsentative Demokratie hat sich über sechs Jahrzehnte bewährt. Doch in der Bevölkerung wächst der Wunsch nach stärkerer Beteiligung“, heißt es in einem von Friedrich und Oppermann verfassten Papier. Sie plädieren damit für einen „behutsamen Einstieg in direktdemokratische Teilhabe“. Dies soll zum einen auf dem Wege von Referenden über bereits beschlossene Gesetze möglich werden. Wenn eine Zweidrittelmehrheit des Bundestages dies beschließt, sollen von ihm verabschiedete Gesetze nachträglich dem Volk zur Abstimmung vorgelegt werden. Ähnliche Voten wollen die beiden Politiker „bei europapolitischen Entscheidungen von besonderer Tragweite“ ermöglichen. Als Beispiel nennen sie in ihrem Papier die Aufnahme neuer Mitgliedstaaten. Volksabstimmungen soll es nach ihrem Willen aber auch geben, „wenn wichtige Kompetenzen nach Brüssel abwandern sollen, oder wenn es um finanzielle Leistungen Deutschlands auf EU-Ebene geht“.

CSU will Eurokritiker einbinden

In dem Vorstoß verbinden sich langjährige Anliegen beider Parteien. Die SPD setzt sich seit geraumer Zeit für mehr direkte Demokratie ein. Die CSU hat sich im vergangenen Jahr auf ihrem Parteitag für Plebiszite bei Grundsatzfragen der Europäischen Union ausgesprochen. Bei diesem Thema gibt es jedoch auch fundamentale Differenzen zur großen Schwesterpartei. Die schien von der Initiative der Herren Friedrich und Oppermann einigermaßen überrascht. Es dauerte Stunden, bis sich das Adenauerhaus zu einer kargen Reaktion im Stande sah. Die umfasste dann auch nur einen einzigen Satz: „Die CDU-Parteizentrale kann eine Einigung in Sachen Ausweitung von plebiszitären Elementen nicht bestätigen.“

CSU-Chef Horst Seehofer reklamiert für sich, das Ohr am Volk zu haben. Der Unmut über die vermeintlich bürgerferne Brüsseler Politik ist weit verbreitet. Mit Blick auf die im kommenden Jahr anstehende Europawahl hat sich die CSU vorgenommen, dem Anliegen für mehr Mitspracherechte ein Forum zu bieten. Sie schielt dabei auch auf den Wahlerfolg eurokritischer Parteien wie der Alternative für Deutschland, die bei der Bundestagswahl nur knapp den Einzug ins Parlament verpasst hat. Die CSU war allerdings selbst nie gefeit gegen die Versuchung, gegen Brüssel Politik zu betreiben. In diesem Sinne sprach sich der Bundestagsabgeordnete Thomas Silberhorn für eine Verkleinerung der EU-Kommission aus – was allerdings auch im Vertrag von Lissabon so vorgesehen ist. 28 Kommissare seien zu viel. „Solche Kabinette gibt es sonst nur in Afrika, wenn viele Stämme berücksichtigt werden müssen“, sagte der CSU-Mann.

Linkspartei: Deutschland ist noch „Entwicklungsland“

Mahnende Stimmen gegen EU-Plebiszite kamen aus der CDU. „Die repräsentative Demokratie hat sich in Deutschland bewährt“, sagte Fraktionsvize Günther Krings. Bei wichtigen Entscheidungen zu Europa müsse ohnehin der Bundestag zustimmen, betonte auch der Europa-Abgeordnete Elmar Brok. Er sehe deshalb „kein Demokratiedefizit“. Falls Deutschland einen solchen Schritt gehen würde, so Krings, dann werde das im Ausland unweigerlich als „Ende der Entwicklungsfähigkeit der EU“ verstanden. Brok warnte: „Man begibt sich damit auf das Niveau britischer Europapolitiker.“

Die SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles zeigte sich dagegen offen für die Initiative. Sie halte den Vorschlag für „prinzipiell einigungsfähig“, sagte sie. Beifall kam auch von der Opposition. „Das wäre ein überfälliger Schritt aus dem Demokratieschatten“, sagte Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau von der Linksfraktion. Denn in Fragen der direkten Demokratie sei Deutschland „noch immer ein EU-Entwicklungsland“.